Der Bundesrat schlägt vor, die Änderung des amtlichen Geschlechts gesetzlich zu regeln und zu vereinfachen. Wir haben den Vorentwurf unter die Lupe genommen und – in Absprache mit InterAction, Association Suisse pour les Intersexes – eine detaillierte Stellungnahme dazu verfasst.
Grundsätzlich freuen wir uns, dass der Bundesrat die Lebenssituation von trans Menschen und von Menschen mit Varianten der Geschlechtsentwicklung (Inter) verbessern möchte und auch anerkennt, dass die rechtliche Situation noch nicht gut ist.
Positiv ist vor allem der Vorschlag, dass statt der Gerichte die Zivilstandsämter zuständig sein sollen. Denn dadurch sollten die Verfahren deutlich kostengünstiger (voraussichtlich etwa 75.- Fr.) und schneller werden.
In der Gesamtbetrachtung ist der Vorentwurf aber dennoch in vielen Aspekten enttäuschend. Die folgenden Punkte müssen aus unserer Sicht unbedingt nachgebessert werden, damit diese Gesetzesänderung trans Menschen und Menschen mit Varianten der Geschlechtsentwicklung wirklich etwas bringt:
- Tatsächliche und klar verankerte Selbstbestimmung. Der Bundesrat spricht zwar von Selbstbestimmung, will aber, dass die Zivilstandsämter die Geschlechtsidentität prüfen und bei Zweifeln zum Beispiel ärztliche Zeugnisse verlangen oder die Änderung ablehnen. Das ist unverändert Fremdbestimmung!
- Urteilsfähige Minderjährige müssen, gleich wie heute, die Änderungen selbständig beantragen können. Nach dem Willen des Bundesrates bräuchten sie zukünftig die Zustimmung der gesetzlichen Vertretung (d.h. meistens der Eltern). Wozu eine solche Verschlechterung, obwohl dies heute gut funktioniert?
- Kein Zwang zu persönlichem Erscheinen vor dem Zivilstandsamt, d.h. freie Wahl zwischen einem schriftlichen und einem mündlichen Verfahren. Trans Menschen werden oft genug angeschaut, ob sie «Frau genug» oder «Mann genug» sind – nach Meinung anderer. Das ist erniedrigend und belastend.
- Verankerung eines Offenbarungsverbotes, wie es zum Beispiel Deutschland auch hat. Denn in der Praxis ist nicht allen klar, dass man trans Menschen nicht outet – schon gar nicht über das alte Geschlecht und den alten Namen nach der Änderung.
- Aufnahme der notwendigen Arbeiten, um die Anerkennung nicht-binärer Geschlechtsidentitäten zu ermöglichen, ohne weitere Verzögerung und unter Einbezug der Personen, um die es geht. Denn nicht-binäre Menschen existieren auch in der Schweiz, sie sind unserer Kultur nicht «gänzlich fremd», wie der Bundesrat schreibt, und sollen genauso wie alle anderen in ihrer Identität anerkannt werden.
- Wenn Menschen aus einem anderen Staat ein anderes amtliches Geschlecht als «F» noch «M» haben, dann muss dieses Geschlecht in der Schweiz eingetragen werden. Der Bundesrat will diesen Menschen jedoch ein «F» oder «M» aufzwingen.
- Strafrechtliches Verbot von Verstümmelungen der Geschlechtsmerkmale an Menschen, insbesondere Kindern, mit Varianten der Geschlechtsentwicklung. Denn diese Grausamkeiten zu stoppen muss absolute Priorität haben, wenn die Lebenssituation von Menschen mit Varianten der Geschlechtsentwicklung tatsächlich verbessert und ihre Menschenrechte geschützt werden sollen.
Der Vorentwurf des Bundesrates
Der Erläuternde Bericht zum Vorentwurf