MEDIENGUIDE für Medienschaffende und Interessierte
Auf dieser Webseite finden Sie den Medienguide. Sie können ihn auch als PDF-Datei herunterladen. Er bietet eine Orientierungshilfe für die Berichterstattung rund um die Themen Transidentität und Nicht-Binarität.
Der Medienguide ist ein Dokument, welches ständig erweitert/korrigiert wird. Bitte orientieren Sie sich immer an der neusten hier verfügbaren Version.
Inhalt:
- Qualitätssicherung & Sorgfaltsprinzip
- Glossar
- Geschlechtergerechte Sprache
- Formulierungshilfen
- Ressourcen
1. Qualitätssicherung & Sorgfaltsprinzip
Wir unterstützen Sie innerhalb unserer Möglichkeiten bei der Suche nach trans Menschen und/oder Expert_innen für Interviews, Hintergrundinformationen, Feedback und andere Beiträge. Folgende Punkte dienen dem Schutz der Personen und sollten vor einer Kontaktvermittlung geklärt werden:
- Bestehen Ihrerseits bereits Vorkenntnisse in Bezug auf LGBTIQ+ Thematik?
- Ist (partielle) Anonymisierung gewünscht / möglich / nötig? In welcher Form?
- Welche weiteren Personen und Institutionen/Gruppierungen kommen in dem Beitrag vor, respektive werden in die Recherche einbezogen?
- Welche Abgabefristen müssen eingehalten werden? Zu kurzfristige oder knapp bemessene Anfragen können wir oft nicht berücksichtigen.
- Sind transparente Einblicke in Zitate und Beiträge in ihrem Kontext vor der Veröffentlichung für die Beteiligten eingeplant? Einer Veröffentlichung ohne Freigabe von kontextualisierten Zitaten wird nicht zugestimmt.
- Wie wird eine respektvolle, akkurate Gestaltung von Titel, Lead, Bebilderung, Bildunterschriften etc. sichergestellt, auch wenn deren Gestaltung nicht den Autor_innen obliegt?
- Wird für eine angemessene Moderation der Kommentare oder nötigenfalls die Schliessung der Online-Kommentare gesorgt?
ACHTUNG: Wir vermitteln keine Kontakte zu trans Kindern. Jugendliche und junge Erwachsene sowie Eltern von trans Kindern und Expert_innen zu diesem Thema können angefragt werden und werden von TGNS beraten und unterstützt.
2. Glossar
Trans Menschen haben eine andere Geschlechtsidentität, als ihnen bei der Geburt zugeteilt wurde. Trans zu sein ist keine Entscheidung. Trans Menschen insgesamt sind kein separates oder drittes Geschlecht.
Personen, deren Geschlecht mit der Zuteilung bei Geburt übereinstimmt, nennt man cis Menschen. Das Gegenteil von trans ist also nicht «normal» oder «biologisch», sondern cis.
Non-binäre / nicht-binäre / nonbinary Personen sind weder (ausschliesslich) Männer noch (ausschliesslich) Frauen. Viele, aber nicht alle, sehen sich als Teil der Transgemeinschaft. Wenn wir in diesem Medienguide von trans Menschen sprechen, meinen wir auch nicht-binäre Menschen.
Achtung: Viele trans Menschen sind binär und identifizieren sich klar als weiblich respektive klar als männlich. Aufgrund fehlender administrativer Möglichkeiten haben nicht-binäre Personen in der Schweiz heute auch binäre Geschlechtseinträge, in anderen Ländern sind bereits Einträge wie das X, der Vermerk «divers» oder die Streichung des Geschlechtseintrags möglich.
Mehr dazu: https://www.nonbinary.ch/was-ist-non-binaer/
Genderfluid bezeichnet Personen, die sich jenseits der Binarität identifizieren und zwischen verschiedenen Formen des geschlechtlichen Ausdrucks und Empfindens wechseln.
Intergeschlechtliche Menschen werden mit Geschlechtsmerkmalen geboren, welche gleichzeitig weiblich und männlich, nicht ganz weiblich oder männlich oder weder weiblich noch männlich sind. Intergeschlechtlichkeit betrifft körperliche Merkmale (etwa Chromosomen, primäre und/oder sekundäre Geschlechtsmerkmale, Hormonfunktion, Keimdrüsen etc.). Intergeschlechtlich sein hat nichts mit der Geschlechtsidentität zu tun, also damit, ob ein Mensch sich als Frau/Mädchen, Mann/Junge identifiziert oder eine nicht-binäre Geschlechtsidentität hat. Deswegen lehnen Organisationen/Vereine von und für intergeschlechtliche Menschen (wie InterAction) einen «dritten Geschlechtseintrag» ausschliesslich für intergeschlechtliche Kinder strikt ab.
Endogeschlechtlich/dyadisch bezeichnet Menschen, die nicht intergeschlechtlich sind.
Genauere Information hier: www.interactionschweiz.ch/de/intergeschlechtlichkeit
Die sogenannte dritte Option – oder mehrere – für den amtlichen Geschlechtseintrag betrifft die rechtliche Anerkennung jener Menschen, die eine Geschlechtsidentität weder (ausschliesslich) als Frau oder (ausschliesslich) als Mann oder unabhängig der binären Einteilung haben. Eine nicht-binäre Geschlechtsidentität können alle Menschen haben, unabhängig von der sexuellen/romantischen Orientierung oder der körperlichen Geschlechtsmerkmale oder anderen Kategorien wie Geschlechtsausdruck oder – rolle.
Transition bezeichnet den Weg vom bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht zum passenden Geschlecht. Dies kann soziale, administrative, rechtliche oder medizinische Elemente beinhalten, muss aber nicht. Die Transition ist eine sehr persönliche Angelegenheit, mit welcher Personen verschieden umgehen. Dies sollte bei Fragen in Bezug darauf bedacht werden.
Trans Menschen werden nicht als ein anderes Geschlecht geboren, sondern leben gezwungenermassen vor einer Transition oder einem Coming-out in einer anderen Geschlechterrolle.
Trans Menschen wechseln nicht ihr Geschlecht, genau wie homosexuelle Menschen beim Coming-out nicht ihre sexuelle Orientierung wechseln. Daher ist es falsch und irreführend, für die Beschreibung der Zeit vor der Transition und/oder dem Coming-out andere Pronomen oder Namen zu verwenden.
Deadnaming, also das Nennen des abgelegten Namens, verletzt die Privatsphäre der porträtierten Person. Es hat keinen Mehrwert, sondern führt nur zu Missverständnissen. Auch wenn eine einzelne Person der Nennung zustimmen mag, sollte solches Vorher-Nachher-Denken vermieden werden. Dies gilt auch für die Bebilderung.
Geschlechtsidentität ist keine sexuelle Orientierung. Trans Personen können wie cis Personen jede sexuelle Orientierung haben.
Der Begriff «Transsexualität» ist veraltet und sollte vermieden werden. Er hat eine pathologisierende und abwertende Geschichte.
Travestie/Crossdressing/Drag ist, wenn Menschen sich zeitweise in die Rolle eines anderen Geschlechts begeben, etwa für künstlerische Auftritte oder im privaten Umfeld.
Bei der Verwendung von bestimmten Begrifflichkeiten ist es wichtig, die Präferenz der besprochenen/porträtierten/interviewten trans Person in Bezug auf Bezeichnungen etc. zu respektieren.
3. Geschlechtergerechte Sprache
Die Verwendung des generischen Maskulinums hat einen negativen Effekt auf Gleichstellung und Inklusion. Wir empfehlen daher eine reflektierte und möglichst akkurate Wortwahl. Subjektive Präferenzen dürfen nicht höher gewertet werden als das Gleichstellungsgebot sowie die inhaltlich korrekte Wortwahl; wird von Frauen, Männern und nicht-binären Personen gesprochen, ist es nicht korrekt, nur Männern zu erwähnen.
Damit ist nicht gemeint, dass eine Gruppe von ausschliesslich Frauen oder ausschliesslich Männern nicht als solche bezeichnet werden darf.
Im Gegenteil: Die Sichtbarmachung von Geschlechterverhältnissen ist ein wichtiger Teil der geschlechtergerechten Sprachpraxis.
Varianten
Aktuell gibt es viele verschiedene Formen, geschlechtergerecht zu formulieren. Dabei steht es allen frei, die passende Variante für das konkrete Vorhaben zu wählen oder Varianten zu kombinieren.
Eine bekannte Form sind inklusive Formen mit Sonderzeichen, wie etwa Gendersternchen (*) und Gendergap (_) . Aktuell gibt es keinen Konsens darüber, welche Variante sich durchsetzen wird oder abschliessend zu bevorzugen ist. Auch zur Zugänglichkeit via Screenreadersoftware gibt es unterschiedliche Standpunkte. Bsp.: Student*innen, Student_innen, Student’innen
Häufig bieten sich Partizipialformen an, viele davon, wie etwa Studierende, Arbeitende, Teilnehmende, sind im Deutschen gut etabliert.
Verbreitet und leicht einsetzbar sind Kollektivnomen, wie etwa Belegschaft, Publikum, Bevölkerung oder Umschreibungen wie: Personen, die dort arbeiten / Menschen mit Uterus. Zahlreiche Nomen, die wir im Alltag verwenden, sind auch schon inklusive Begriffe, die kein spezifisches Geschlecht aufrufen, wie etwa Erziehungsberechtigte, Eltern, Kinder, Geschwister, etc.
Sind Geschlecht und Pronomen einer Person nicht bekannt, bietet es sich an, gegenderte Ausdrücke durch Namenswiederholung wie Wohin Luc geht, habe ich Luc nicht gefragt oder auch durch die Verwendung von reflektiven Ausdrücken wie Luc hat die eigene Wohnung umdekoriert zu umgehen.
Sprechen über nicht-binäre Personen
Nicht-binäre Menschen bevorzugen meistens eine genderneutrale Anrede. Das heisst, sie möchten nicht mit «Herr» oder «Frau» angesprochen werden und bevorzugen, dass, wenn über sie gesprochen wird, keine maskulinen oder femininen Personalpronomen verwendet werden. Da es aktuell keine etablierten genderneutralen Pronomen in der deutschen Sprache gibt, kann das zu Unsicherheiten führen. In der folgenden Tabelle finden sich Beispiele dafür, für neutrale Adressierungen und respektvolle Wege, wie über nicht-binäre Menschen gesprochen werden kann.
Signaturen
Beachten Sie in der Korrespondenz allfällige Hinweise in den E-Mail Signaturen und verwenden Sie immer die dort angegebenen gewünschten Pronomen/Anrede.
Beispiele
Nicht genderneutral | genderneutral | Beispiel |
Liebe Frau Marx Lieber Herr Marx Lieber Jules Marx Liebe Jules Marx | Grussformel + Vornamen Nachnamen verwenden | Lieb*er Jules Marx Guten Tag Jules Marx |
Liebe Ezra Lieber Ezra | Grussformel + Vornamen | Hoi, Hallo, Guten Morgen/Tag/Abend, Dear (auch im Deutschen verwendbar), Liebe*r / Lieb* |
Ich treffe Frau Marx an einem Nachmittag auf der Baustelle, um mit ihr über ihr Coming-Out zu sprechen. | Anstatt Pronomen Vor- oder Nachnamen verwenden Nomen wie Person, Mensch etc. verwenden. | Ich treffe Jules Marx an einem Nachmittag auf der Baustelle, um mit der Person über ihr Coming-Out zu sprechen. |
Als Herr Marx in der Apotheke war, bemerkte er, dass er sein Portemonnaie vergessen hatte. | Anstatt Pronomen Vor- oder Nachnamen verwenden Nomen wie Person, Mensch etc. verwenden. Passiv Sätze, Umschreibungen | Als Jules Marx in der Apotheke war, bemerkte Marx, dass das Portemonnaie vergessen gegangen war. |
Er hat gesagt, dass er Musik mag. Sie hat gesagt, dass… | Anstatt Pronomen Vor- oder Nachnamen verwenden | Jules hat gesagt, dass Jules Musik mag. Marx hat gesagt, dass Marx Musik mag. |
Sie hat ihren Hund gefüttert. | Namen wiederholen oder Umschreibung mit «eigene/eigenen/eigenes» | Jules hat Jules‘ Hund gefüttert. Jules hat den eigenen Hund gefüttert. |
Er hat seine Katze gestreichelt. | Neopronomen verwenden (etwa dey/deren, hen/hens, xier/xies) oder they/them | They hat die Katze gestreichelt. Dey hat deren Katze gestreichelt. Hen hat hens Katze gestreichelt. |
4. Weitere Formulierungshilfen
Falsch | Besser | Begründung |
Geschlechtsumwandlung | Transition, Geschlechtsangleichung, Geschlechtsanpassung | «Umwandlung» impliziert, dass Identität operativ verändert wird, dass trans Menschen «eigentlich» ein anderes Geschlecht haben und die medizinische Transition zur Legitimation nötig ist. Dies ist falsch. |
transsexuell | trans / transgender / transident | Als Begriff führt transsexuell zu Verwirrung zwischen sexueller Orientierung und Geschlecht, zudem negativ behaftete, pathologisierende Geschichte. |
der Transgender / die Transgender | der trans Mann / die trans Frau / die trans Person | Abwertende Konnotation (ähnlich wie Beleidigung «die Transe»), Fokussierung auf ein Merkmal, wie auch «der Schwule» keine respektvolle Betitelung ist. |
Transmann / Transfrau / Transperson | trans Mann / trans Frau / trans Person | Ähnliche Problematik wie «der Transgender», s.o. Verstärkt die Trennung zwischen «normalen» aka cis Männern / Frauen / Personen und trans Männern / Frauen / Personen, vergleichbar mit Formulierungen wie Homoehe. Trans ist ein Adjektiv und sollte als solches verwendet werden. |
«Sie war ein Mann.» | Sie lebte als Mann, wurde als Junge erzogen, lebte in der männlichen Rolle / unter einem männlichen Namen. | Impliziert, dass die Identität ohne Coming-out und / oder Transition nicht existiert und erst dadurch geändert wird. |
«Er wurde zur Frau.» | Sie transitionierte / hatte ihre Transition / hatte ihr Coming-out / lebte ab dann offen als Frau. | s.o. |
«Wurde als Mädchen / Junge geboren.» | Wurde bei der Geburt dem … Geschlecht zugeteilt / wurde als … aufgezogen / lebte als … | s.o. besonders schädlich: «wurde als Mann / Frau» geboren; niemand wird als Erwachsener geboren, spielt mit Klischees von bedrohlichen trans Frauen, die insgeheim Männer sind. |
Wunschgeschlecht | Geschlecht / Geschlechtsidentität | Abwertende, delegitimisierende Formulierung, impliziert, dass die Geschlechtsidentität von trans Menschen nur ein Wunsch und keine Realität ist. |
biologisches Geschlecht / Geburtsgeschlecht | Präzise benennen: das amtliche Geschlecht bei Geburt oder die Geschlechtsmerkmale? | Verstärkt Vorstellung des «eigentlichen» Geschlechtes, wertet Geschlechtsidentität ab und verschweigt, dass biologisches Geschlecht vielfältig ist. |
«ob homo-, bi- oder transsexuell» | homo-, bi- oder heterosexuell, cis oder trans, intergeschlechtlich oder dyadisch | Transidentität ist KEINE sexuelle Orientierung. Trans und cis Personen können jede sexueller Orientierung haben, dasselbe gilt für intergeschlechtliche Personen. |
«Früher hiess er Hans, heute nennt er sich Maria.» | Früher lebte Maria unter einem männlichen Namen. | Deadnaming vermeiden, siehe Glossar, keine Pronomenwechsel; verstärkt Eindruck, das Geschlecht hätte sich geändert. |
«eine überraschend feminine Frau mit breiten Schultern» | / | Verstärkt sexistische Stereotypen, schadet cis, intergeschlechtlichen und trans Personen und fordert auf, nach «Spuren» von Transidentität zu suchen. |
«Der Transvestit» als Synonym für trans Frau | die trans Frau | Darstellung von trans Frauen als Männer, Vermischung von Travestie (temporär, performance-orientiert) und Transidentität (persönliches, inneres Wissen über eigenes Geschlecht und Repräsentation desselben nach aussen) |
Männer, Frauen und trans Personen | Männer, Frauen und nicht-binäre Personen | Trans ist kein separates Geschlecht; trans Frauen sind im Begriff Frauen bereits eingeschlossen. Wenn das nicht gemeint ist, explizit cis Personen benennen. |
Arbeiter und Arbeiterinnen / ArbeiterInnen | Arbeitende / Personal / Arbeiter*innen / Arbeiter_innen / Belegschaft / Personen, die dort arbeiten etc. | Die spezifische Nennung von zwei Geschlechtern schliesst nicht-binäre Personen aus. |
biologische Frau biologische Mann | cis Frau cis Mann | Impliziert, dass trans Frauen künstliche, eben nicht natürliche Frauen sind |
5. Ressourcen
«Trans – Eine Informationsbroschüre von trans Menschen für trans Menschen und alle anderen»
Trans Welcome www.transwelcome.ch
Webseite für trans Personen und Arbeitgebende
Beratungen von TGNS und Checkpoint Zürich: www.tgns.ch/de/beratung
InterAction Schweiz www.interactionschweiz.ch und www.inter-action-suisse.ch
Webseite von InterAction, dem Schweizer Verein für intergeschlechtliche Menschen oder Menschen mit einer angeborenen Variation der Geschlechtsmerkmale
Milchjugend https://milchjugend.ch/
Jugendorganisation für LGBTIQ+ Jugendliche
Nonbinary.ch (Webseite über Nicht-Binarität)
Geschlechterradar Hübscher (Übersicht über verschiedene Dimensionen von Geschlecht)
Auswahl Leitfäden für inklusive Sprache
Sprachleitfaden PH Luzern, Universität Luzern und Hochschule Luzern
Leitfaden zum inklusiven Umgang mit allen Geschlechtern queer*z
Sprachleitfaden von Amnesty International
https://genderapp.org/ (Sprachgenerator für inklusive Sprache)
Leitfäden für Sprache in Bezug auf nicht-binäre Menschen
Merkblatt zu Sprache und Nicht-Binarität von Nonbinary.ch