Neue Gesundheitsstudie

Am 9. Dezember 2022 veröffentlichte der Bundesrat einen Bericht über die Gesundheit von LGBT-Personen. Dieser basiert auf einer Forschungsarbeit der Fachhochschule Luzern und ist die Antwort auf ein 2019 von Nationalrätin Samira Marti eingereichtes Postulat, in dem gefordert wurde, Bereiche zu identifizieren, in denen LGB-Personen eine schlechtere Gesundheitssituation aufweisen als die übrige Bevölkerung und in denen daher Massnahmen notwendig wären. Der Bericht zeigt, dass es tatsächlich zahlreiche gesundheitliche Ungleichheiten zwischen LGBT-Personen und heterosexuellen cis Personen gibt, insbesondere in den Bereichen psychische Gesundheit, sexuelle Gesundheit, Substanzkonsum und Zugang zur Gesundheitsversorgung.

TGNS war als Mitglied der Begleitgruppe dieser Zusatzerhebung an der Entwicklung des Fragebogens und seiner Verteilung beteiligt und konnte zu einer vorläufigen Version des Berichts Stellung nehmen.

Im Unterschied zur Schweizerischen Gesundheitsbefragung (eine vom Bundesamt für Statistik alle fünf Jahre durchgeführte Befragung), die bis 2022 keine Informationen zur Geschlechtsidentität erhob, wurden in der Zusatzerhebung der Fachhochschule Luzern auch trans und/oder nicht binäre Personen berücksichtigt. 132 trans Männer, 144 trans Frauen und 243 nicht binäre Personen nahmen an dieser Umfrage teil, die den ersten Überblick über die Gesundheit von trans und/oder nicht binären Personen in der Schweiz bietet. In vielen Bereichen zeigt sich, dass die Gesundheitssituation von trans und/oder nicht binären Personen noch schlechter ist als die von cis LGB Personen.

Die wichtigsten Ergebnisse dieser Umfrage:

  • Etwa jede dritte trans und/oder nicht binäre Person hat in den zwölf Monaten vor der Befragung Diskriminierung oder Gewalt im Zusammenhang mit der Gesundheitsversorgung erlebt, was fünf- bis sechsmal mehr ist als bei cis LGB Personen. Dazu gehören z. B. nicht ernst genommen werden, unangebrachte Fragen, abwertende Äusserungen, Misgendering, Outing, usw.
  • Trans und/oder nicht binäre Menschen verzichten häufig auf medizinische Versorgung, oft aus finanziellen Gründen oder weil sie kein Vertrauen in die Gesundheitsfachkräfte haben, keine gute Ärzt_in gefunden haben oder Angst vor Verurteilungen oder Diskriminierungen aufgrund ihrer Geschlechtsidentität haben.
  • Drei Viertel der trans und/oder nicht binären Menschen haben im Laufe ihres Lebens Diskriminierung oder Gewalt aufgrund ihrer Geschlechtsidentität erlebt (ausserhalb des Gesundheitsbereichs).
  • Sie sind seltener intensiv körperlich aktiv als cis LGB Personen (59,8 % gegenüber 65,6-68,5 %).
  • Sie rauchen häufiger (34,7 % gegenüber 28,5-30,3 %), haben aber häufiger versucht, mit dem Rauchen aufzuhören (39,3 % gegenüber 28,4 %). Dafür trinken sie häufiger keinen Alkohol (19,3 % gegenüber 7,9 %).
  • 80% der trans Frauen und Männer und 15% der nicht binären Menschen machen eine Hormonbehandlung im Zusammenhang mit einer Transition. 66% der trans Frauen und Männer und 24% der nicht binären Menschen haben andere medizinische Transitionsschritte durchgeführt (z.B. Operation(en), dauerhafte Haarentfernung, Logopädie).
  • Fast die Hälfte der trans und/oder nicht binären Menschen gab an, sich einsam zu fühlen, und nur ein Viertel von ihnen erfährt starke soziale Unterstützung (im Vergleich zu etwa der Hälfte der cis LGB Personen).
  • 14 % der trans und/oder nicht binären Menschen sind aufgrund von Gesundheitsproblemen in ihren Alltagsaktivitäten stark eingeschränkt, und mehr als die Hälfte von ihnen leidet an einem chronischen oder lang andauernden Gesundheitsproblem.
  • Mehr als die Hälfte (56,5 %) hat in den zwölf Monaten vor der Befragung an einer Depression gelitten (im Vergleich zu 22,5-36,7 % der cis LGB Personen). Über das gesamte bisherige Leben hat etwa jede_r Dritte mindestens einen Suizidversuch unternommen, das sind zwei bis drei Mal mehr als bei den cis LGB Personen.
  • Essstörungen (24,7%) und Aufmerksamkeits-Defizit-(Hyperaktivitäts-)Syndrom (AD[H]S) (28,8%) sind ebenfalls häufiger bei trans und/oder nicht binären Menschen.

Diese Ergebnisse, die durch weitere Analysen der gesammelten Daten und durch andere Umfragen, die genauer auf die Realitäten und Bedürfnisse von trans und/oder nicht binären Menschen ausgerichtet sind, vertieft werden sollten, geben bereits ein klares Signal über das Ausmass der Gesundheitsprobleme, die unsere Community betreffen, und über die Notwendigkeit, in diesem Bereich zu handeln.

Zum Studienbericht und dem Bericht des Bundesrates