Queer-feministischer Streik

Redebeitrag von Sascha Rijkeboer am feministischen Streik vom 14. Juni 2023 in Bern

Ich darf heute hier sein im Namen von TGNS, dem Transgender Network Switzerland. Seit etwas mehr als einem Monat bin ich Teil des Vorstandes des Vereins, der sich für trans Menschen in der Schweiz einsetzt, und dem ich seit damals, als ich mich als trans outete, für seine wichtige Arbeit unglaublich dankbar bin.
Seit 13 Jahren setzt sich TGNS dafür ein, dass trans und non-binäre Personen gleichgestellt werden. Der Weg dort hin ist steinig, und die Erfolge, die wir erzielten, schliessen beschämende Kapitel der Schweizer Geschichte ab. So wurden trans Personen noch vor weniger als zehn Jahren zur dauerhaften Sterilisation gezwungen, wenn sie ihren Geschlechtseintrag von «M» zu «F» oder von «F» zu «M» wechseln wollten. Die Schweiz schaut noch in ganz vielen Bereichen viel zu wenig hin. So kann ich mir keine feministische Zukunft vorstellen.

Als eine Freundin von mir das erste Mal einen Rock trug und von drei Männern dafür angegriffen und ausgeraubt wurde, war sie ganz alleine mit der Polizei, und die Polizei konnte diese geschlechterbasierte Gewalt nicht erfassen.
Dabei wäre es wichtig, Gewalt an trans Menschen zu erfassen. Nur so sind wir in der Lage, die Lage zu erfassen – und zu verbessern. Ich habe sehr viele Zahlen gehört heute und an anderen feministischen Demonstrationen; ich wünsche mir, dass wir auch verlässliche, vom Staat erfasste Zahlen zur Lebenssituation von trans Menschen haben, dass wir als Bevölkerungsgruppe wahrgenommen und geschützt werden. Wir haben hier als Gesellschaft Nachholbedarf. Denn bekanntlich handelt die Politik oft erst, wenn Zahlen ein Problem belegen. Was würde wohl passieren, wenn der Bund erfassen würde, wie viele trans Menschen gegen die Krankenkasse kämpfen müssen, damit sie notwendige Behandlungen bekommen? Wieviele die Kraft für diesen Kampf nicht haben? Wie schlecht es ihnen geht? Was würde passieren, wenn erfasst würde, wieviel Transfeindlichkeit asylsuchende trans Menschen in den Asylzentren erleben oder wenn die Auswirkungen von Diskriminierung in Schulen und am Arbeitsplatz untersucht würden?

Die Politik und die Gesellschaft würden vielleicht merken, wie viele transfeindliche Narrative sich noch immer in unserer Gesellschaft halten, und wie salonfähig sie sind. Sie würde merken: Wenn sie nur zwei Plätze für Männer und Frauen schafft, in der Sprache, im amtlichen Geschlecht, in ihrer geschlechterspezifischen Infrastruktur, schliesst sie non-binäre Menschen aus und macht den Ausschluss von non-binären Menschen legitim. Das führt dazu, dass ich sehr oft, wenn ich sage, dass ich non-binär bin und ohne «er» oder «sie» angesprochen werden möchte, denke, dass ich etwas total unlogisches und unwirkliches verlange. Das löst diese Unsichtbarkeit bei mir aus.

Ich wünsche mir, dass wir, die hier heute versammelt sind, uns zusammenschliessen und miteinander gegen die Gewalt, Stigmatisierung und Unsichtbarmachung durch die patriarchalen Strukturen kämpfen. Dass wir Transfeindlichkeit mit Frauenfeindlichkeit zusammendenken, benennen und anprangern und uns selbst und unsere Mitmenschen bilden.
Wenn wir uns die Gleichstellung aller Geschlechter wünschen, dann gilt das auch für trans und non-binäre Menschen. 20% der trans Menschen sind arbeitslos, unsere psychische Gesundheit ist schlechter als eure, aber verbessert sich bereits markant, wenn wir in unserer Geschlechtsidentität leben dürfen und Unterstützung erhalten.

Ich wünschte, ich hätte meinem alten Ich sagen können:
«Hej, du kannst dich problemlos outen, du bist gut aufgehoben und darfst so sein, wie du bist, du musst keine Angst haben.»
Lasst uns gemeinsam an diesem Versprechen arbeiten. Denkt insbesondere im kommenden Herbst daran: Wählt Politiker*innen, die sich genauso für den Schutz und die Gleichstellung von trans Menschen wie für den von cis Frauen einsetzen. Merci.