Selbstbestimmung! Aber nicht für alle

Hast du gewusst, dass man vor zehn Jahren, als TGNS gegründet wurde, den Geschlechtseintrag nur ändern konnte, nachdem man sich hat operativ sterilisieren lassen? Dank unserer Arbeit ist das schon länger Geschichte – und heute haben wir den nächsten grossen Schritt geschafft: National- und Ständerat haben definitiv Ja gesagt zur einfachen und selbstbestimmten Änderung des Geschlechtseintrages! Und ebenfalls zur «Ehe für alle», für die sich unsere Freund_innen der LGB-Dachverbände einsetzen. Perfekt ist die Lage allerdings noch nicht.

Einfach und selbstbestimmt klingt schon mal gut. Aber was genau wird alles neu?

Bei der Änderung des Geschlechtseintrages wird fast alles neu: 

  • Statt ein schriftliches Gesuch ans Gericht zu schicken, geht man persönlich zum Zivilstandsamt (Auslandschweizer_innen gehen zu ihrer Botschaft). Dort erklärt man ganz einfach, dass das amtliche Geschlecht geändert werden soll, weil es nicht mit der Geschlechtsidentität übereinstimmt.
  • Das Zivilstandsamt trägt die Änderung gleich ein. Es geht also viel schneller als bisher beim Gericht.
  • Die einzige Voraussetzung ist, dass man die eigene Geschlechtsidentität kennt. Es braucht also keine Bestätigung von Psycholog_in oder Psychiater_in mehr. Und schon gar keine medizinischen Nachweise.
  • Statt mehreren hundert Franken wird die Änderung voraussichtlich nur noch 75.– Fr. kosten.

Was gleich bleibt:

  • Der Vorname kann zusammen mit dem Geschlechtseintrag geändert werden.
  • Die Änderung ist nur möglich von «M» zu «F» oder von «F» zu «M». Die Einführung von nicht-binären Geschlechtseinträgen braucht noch etwas länger. Mit ihrer Stellungnahme hat uns die Nationale Ethikkommission letzte Woche aber schon prominent unterstützt.

Kann ich jetzt grad los zum Zivilstandsamt? Oder wie geht es nun weiter?

Noch nicht ganz. Zuerst haben unsere Gegner_innen fast vier Monate Zeit, um das Referendum zu ergreifen, wenn sie das wollen und schaffen. Sammeln sie mindestens 50‘000 Unterschriften gegen das Gesetz, dann gibt es eine Volksabstimmung. Gibt es kein Referendum oder gewinnen wir die Volksabstimmung, dann entscheidet der Bundesrat, ab wann das neue Verfahren gilt. Wir informieren euch selbstverständlich wieder darüber. Und auch wie das beim Zivilstandsamt dann genau ablaufen wird.

Und was ist das grosse Aber?

Was haben wir in den letzten Jahren, Monaten und Wochen geschrieben, telefoniert, besprochen und erklärt, damit auch Jugendliche die Änderung selbständig beantragen können. Im Nationalrat hat das die Mehrheit verstanden, aber nicht im Ständerat. So brauchen leider in der Zukunft alle, die noch nicht 16 Jahre alt sind oder Personen, die unter umfassender Beistandschaft stehen, die Zustimmung der Eltern oder Beiständ_in. Das ist sehr frustrierend. Zumindest senkte das Parlament die Altersgrenze von 18 auf 16 Jahre. Damit sind wir allerdings noch nicht zufrieden und setzen uns weiterhin für Jugendliche und Menschen mit umfassender Beistandschaft ein.

Möchtest du deinen Geschlechtseintrag ändern, aber du bist…

…noch nicht 16 Jahre alt oder du bist umfassend verbeiständet

…und deine Eltern sind / deine Beiständ_in ist gegen die Änderung?

Dann melde dich möglichst bald bei unserer Rechtsberatung ()! Wir helfen dir, damit du das Gesuch noch ohne deine Eltern oder Beiständ_in einreichen kannst. Denn sobald das neue Verfahren in Kraft ist, kannst du das nicht mehr ohne Zustimmung machen.

Wie viele hundert Stunden wir für dieses Gesetz gearbeitet haben, können wir nicht ausrechnen. Sicher aber haben wir bei vielen Parlamentarier_innen etwas bewegen können und sind nun viel besser vernetzt im Bundeshaus. Darauf wollen wir aufbauen, um in Zukunft weitere Verbesserungen feiern zu können! Allein mit ehrenamtlicher Arbeit geht das aber längst nicht mehr. 

Unterstützt du uns für diese Arbeit mit einer Spende?