1. Persönlichkeitsschutz / Diskriminierung / Gewalt
2. Vor der (Vor-)Namensänderung
3. (Vor-)Namensänderung
4. Änderung Geschlechtseintrag
5. Medizin
6. Krankenkasse
7. Kinder und Jugendliche
8. Elternschaft und Ehe
9. Arbeit
10. Militär
11. Asyl
1. Persönlichkeitsschutz / Diskriminierung / Gewalt
Die Tatsache, dass eine Person trans ist, ist Teil ihrer geschützten Persönlichkeit (Art. 28 ZGB) respektive ihres Privatlebens (Art. 10, 13 BV; Art. 8 EMRK). Das heisst: Sowohl Privatpersonen als auch staatliche Stellen haben diese Information grundsätzlich vertraulich zu behandeln und die notwendigen Massnahmen zu ergreifen, um trans Personen vor ungewollten Outings zu schützen. Dazu gehört auch, dass eine trans Person – unabhängig der amtlichen Daten – nicht gegen ihren Willen geoutet werden darf, auch nicht durch Zeugnisse, Kund_innenkarten oder ähnliches, sowie die Vertraulichkeit von Informationen wie welche medizinischen Eingriffe eine Person hat machen lassen oder wie der frühere Name war. Einschränkungen dieses Schutzes sind vor allem dann zulässig, wenn sich eine staatliche Stelle auf eine ausreichende gesetzliche Grundlage abstützen kann, das Outing durch ein öffentliches Interesse oder Grundrechte von anderen gerechtfertigt und verhältnismässig ist.
Trans Menschen dürfen nicht aufgrund ihrer Geschlechtsidentität diskriminiert werden (BGE 145 II 153). Aber Achtung, nicht alles, was umgangssprachlich als Diskriminierung bezeichnet wird, ist auch eine rechtliche Diskriminierung. Im Recht gilt es nur als Diskriminierung, wenn eine trans Person aufgrund des Trans-Seins ohne sachliche Rechtfertigung schlechter behandelt wird. Umfassend gilt das Diskriminierungsverbot nur gegen den Staat und Private, die staatliche Aufgaben erfüllen (Art. 8 Abs. 2 BV; Art. 14 EMRK). In der Schweiz schützt einen das Gesetz jedoch nicht gegen Diskriminierung durch Private, ausser das Gleichstellungsgesetz am Arbeitsplatz (siehe 9. Arbeit).
Das Diskriminierungsverbot im Strafrecht (Art. 261bis StGB) beinhaltet zwar Diskriminierungen aufgrund der sexuellen Orientierung, aber nicht aufgrund der Geschlechtsidentität. Wer einer trans Person eine Leistung, die der Allgemeinheit angeboten wird, diskriminierend vorenthält, also z.B. eine trans Person in einem Laden oder Restaurant nicht bedient, macht sich daher nicht strafbar. Auch Aufruf zu Hass gegen trans Menschen als Gruppe ist deshalb in der Schweiz nicht strafbar.
Leider erleben die meisten trans Menschen irgendwann negative Reaktionen auf ihr Trans-Sein. Beschimpfungen, verbale Attacken, körperliche Angriffe oder sexualisierte Gewalt gegen eine einzelne trans Person verbietet das Strafgesetzbuch. Diese können bei der Polizei angezeigt werden. Transfeindlichkeit, also Delikte aus Hass auf trans Menschen, dürfen nicht ohne Folgen bleiben. Wenn trans Personen Straftaten anzeigen, kann das dazu beitragen. Betroffene von Straftaten und ihre Angehörigen können auch Hilfe von Opferhilfestellen erhalten (Opferhilfegesetz). TGNS unterstützt dich bei Bedarf bei der Anzeigeerstattung bei der Polizei oder um mit einer Opferhilfestelle Kontakt aufzunehmen.
Verschiedene Stellen erfassen Transfeindlichkeiten; Meldung erstatten können sowohl Betroffene als auch nicht direkt betroffene Personen. Durch die Meldungen wird das Problem sichtbarer, was wirksamere Massnahmen dagegen ermöglicht.
- LGBTIQ-Helpline
- wenn es in der Stadt Bern passierte: «Bern schaut hin»
- wenn es in der Stadt Luzern passierte: «Luzern schaut hin»
- wenn es in der Stadt Zürich passierte: «Zürich schaut hin»
Weiterführende Informationen:
- Istanbul-Konvention
- EGMR, Christine Goodwin v. The United Kingdom, Urteil vom 11. Juli 2002, Application no. 28957/95.
- EGMR, Identoba and Others v. Georgia, Urteil vom 12. Mai 2015, Application no. 73235/12
2. Vor der (Vor-)Namensänderung
Alle Menschen haben das Recht, entsprechend der eigenen Geschlechtsidentität zu leben, unabhängig von der offiziellen Namensänderung und der Änderung des Geschlechtseintrages. Das heisst, eine Person darf sich beispielsweise als trans Mann männlich kleiden, als «Bruder», «Kollege», «Herr» angesprochen werden, seine Post an «Herr» adressiert bekommen oder die Männer-Toilette benutzen. Nicht-binäre Menschen dürfen beispielsweise einen neuen Vornamen und ein eigenes Pronomen verwenden und entsprechend angesprochen werden. Das alles ist erlaubt, es ist aber nicht zwingend. Dies ist Teil des Rechts auf Privatleben respektive des Persönlichkeitsschutzes (siehe 1. Persönlichkeitsschutz / Diskriminierung / Gewalt).
Nur im sogenannten amtlichen Verkehr muss der offizielle Name verwendet werden. Das heisst:
– private Papiere wie zum Beispiel Zeitschriftenabonnemente, Mitgliederausweise, Mietvertrag oder Bankkonto (wobei die Bank auch namentlich die Regeln zur Geldwäschereibekämpfung beachten muss) dürfen bereits vor der offiziellen Namensänderung auf den neuen Namen ausgestellt werden
– alle amtlichen Papiere wie beispielsweise Pass, Identitätskarte oder Fahrausweis können erst nach der amtlichen Namensänderung angepasst werden.
Allerdings sind verschiedene (staatliche) Register miteinander verknüpft. Deshalb kann in der Praxis zum Teil auch in Bereichen, die eigentlich nicht zum amtlichen Verkehr gehören, nur der amtliche Name und Geschlechtseintrag verwendet werden. Das betrifft beispielsweise die Rentenversicherungen oder die Adresse auf dem Stimmcouvert.
Weiterführende Informationen:
Die Namensänderung kann beantragt werden, ohne dass gleichzeitig der Geschlechtseintrag geändert wird. Für die (Vor-)Namensänderung zusammen mit der Änderung des Geschlechtseintrags siehe 4. Änderung Geschlechtseintrag.
Für die (Vor-)Namensänderung ist die Verwaltung des Kantons zuständig, in dem die Person wohnt (Art. 30 Abs. 1 ZGB). Die genaue Adresse des jeweils zuständigen Amtes findet sich in der Regel auf der Website des Kantons mit dem Suchwort «Namensänderung». Die Kosten sind je nach Kanton unterschiedlich, zwischen etwa 200 und 600 Franken. Es dauert in der Regel ein paar Wochen oder Monate vom Einreichen des Gesuchs bis zum Entscheid.
Damit der Name geändert werden kann, braucht es einen sogenannten achtenswerten Grund (Art. 30 Abs. 1 ZGB). Trans zu sein gilt als achtenswerter Grund. Die genauen Voraussetzungen für die Namensänderung von trans Menschen bestimmt jeder Kanton selbst. Oft wird ein Schreiben einer medizinischen Fachperson, in dem das Trans-Sein bestätigt wird, verlangt.
Nur ganz selten wird noch verlangt, dass eine Voraussetzung bereits eine bestimmte Zeit erfüllt wird (z.B. vom Kanton Neuenburg). Das heisst, dass beispielsweise zu belegen ist, dass der gewünschte Vorname bereits seit zwei Jahren verwendet wird. Im Kanton Bern wurde ein Entscheid gefällt, dass solche Mindestfristen nicht verlangt werden dürfen (Polizei- und Militärdirektion Bern, Entscheid vom 13.10.2011, BC 138/11, publiziert in FamPra.ch 1 (2012) Nr. 1, S. 140–148).
Ein eigenes Verfahren für die Namensänderung von trans Menschen haben die Kantone Zürich und Waadt. Für Zürich finden sich alle Informationen unter diesem Link. Für Waadt bieten der Checkpoint Lausanne und die Fondation Agnodice Unterstützung.
Auch Minderjährige haben das Recht, ihren (Vor-)Namen zu ändern. Dafür muss man kein Mindestalter haben, sondern urteilsfähig sein (Art. 19c Abs. 1 ZGB). Urteilsfähig heisst, dass die minderjährige trans Person versteht, was die Namensänderung ist / bewirkt und diese von sich aus möchte. Die Eltern müssen dann nicht zustimmen. Bei Kindern die (noch) nicht urteilsfähig sind, können die Eltern (respektive gesetzliche Vertretung) die Namensänderung beantragen.
Trans Menschen, die ihren festen Wohnsitz in der Schweiz, aber nicht die Schweizer Nationalität haben, können auch beim jeweils zuständigen Amt ihres Wohnkantons die (Vor-)Namensänderung beantragen. Wir empfehlen aber, vorher abzuklären, ob das Heimatland diese auch anerkennt. Es kann sonst sein, dass trotz der Änderung in der Schweiz vom Heimatland kein Pass auf den neuen (Vor-)Namen ausgestellt wird. Die jeweilige ausländische Botschaft sollte diese Informationen geben können.
In der Schweiz muss ein Vorname nicht geschlechtseindeutig sein, es muss auch kein geschlechtseindeutiger zweiter Vorname gewählt werden (z.B. «Andrea» ist ausreichend). Menschen, die sich nicht binär identifizieren, dürfen einen weder eindeutig weiblich noch eindeutig männlich gelesenen Namen annehmen (z.B. «Sascha») oder auch eine gemischte Namenskombination (z.B. «Andrea Manuel» oder «Martina Manuel»).
Auch trans Menschen dürfen frei wählen, welchen Vornamen sie neu tragen möchten. Der Vorname darf erfunden sein (z.B. «Tiktu»), muss aber ein Vorname sein (so der Entscheid: Ie Cour administrative du Tribunal cantonal Fribourg, Arrêt 601 2020 240 du 28 juin 2021). Nicht zulässig sind beispielsweise eindeutige Familiennamen (z.B. «Meier») oder Wörter, die klar eine andere Bedeutung haben (z.B. «Wiese», so insbesondere der folgende Entscheid: Tribunal administratif du canton de Vaud, Arrêt du 18.10.2006, GE.2005.0219, publiziert in FamPra.ch 8 (2007) Nr. 29, S. 366–369).
Familiennamen, die bei Mann und Frau unterschiedlich sind (z. B. slawische oder skandinavische Namen), können grundsätzlich gleichzeitig mit dem Vornamen geändert werden. Andere Änderungen des Familiennamens sind möglich, wenn ein achtenswerter Grund anerkannt wird; das Gesuch muss also begründet werden. Ein achtenswerter Grund kann beispielsweise vorliegen, wenn der Name von einem extrem transfeindlichen Elternteil stammt oder eine klare und belastende geschlechtsbezogene Bedeutung hat.
Wird nur der Vorname geändert, so bleibt das offizielle Geschlecht. Das heisst also, dass beispielsweise eine trans Frau, die den neuen Namen Sarah annimmt, offiziell dann als „Sarah Keller, Geschlecht: männlich“, geführt wird und der Eintrag „männlich“ auch in den amtlichen Ausweisen bleibt. Sollen Vorname und offizielles Geschlecht geändert werden, kann dies gleichzeitig und in einem einfacheren Verfahren gemacht werden (siehe 4. Änderung Geschlechtseintrag).
Zu den weiteren Wirkungen und der Anpassung von Dokumenten nach erfolgter Namensänderung siehe die Informationen unter 4. Änderung Geschlechtseintrag.
4. Änderung Geschlechtseintrag
Was kann geändert werden?
Der amtliche Geschlechtseintrag kann angepasst werden (Art. 30b ZGB). Wenn gewünscht, kann dabei gleichzeitig der Vorname und allenfalls der Nachname geändert werden (Art. 30b Abs. 2 ZGB). Für die Vornamensänderung ohne Änderung des Geschlechtseintrags: siehe die Informationen unter 3. (Vor-)Namensänderung.
Der Nachname kann nur dann gleichzeitig geändert werden, wenn er geschlechtsspezifisch, das heisst für Frauen und Männer anders, ist (z.B. Frau Dzieglewska / Herr Dzieglewski). Andere Änderungen des Familiennamens können nicht gleichzeitig mit der Änderung des Geschlechtseintrages vorgenommen werden. Sie müssen mit einem separaten, begründeten Gesuch bei der Kantonsverwaltung beantragt werden; siehe die Informationen unter 3. (Vor-)Namensänderung.
Möglich ist die Änderung von «männlich» auf «weiblich» respektive von «weiblich» auf «männlich». In der Schweiz ist es leider nicht möglich, keinen Geschlechtseintrag zu haben oder einen anderen als männlich oder weiblich (z.B. «X» oder «divers». Siehe Bundesgericht, Urteil 5A_391/2021 vom 8. Juni 2023).
Wer kann die Änderung machen lassen?
Die Änderung ist nur für trans und intergeschlechtliche Menschen, oder in den Worten des Gesetzes: «Jede Person, die innerlich fest davon überzeugt ist, nicht dem im Personenstandsregister eingetragenen Geschlecht zuzugehören» (Art. 30b Abs. 1 ZGB).
Trans Menschen, die nicht Schweizer Bürger_in sind, aber in der Schweiz wohnen, können die Änderung genau gleich bei einem Schweizer Zivilstandsamt erhalten. Wir empfehlen aber, vorher abzuklären, ob das Heimatland diese Änderung auch anerkennt. Es kann sonst sein, dass das Heimatland trotz der Änderung in der Schweiz keinen Pass auf den neuen Namen und mit dem neuen Geschlechtseintrag ausstellt. Die jeweilige ausländische Botschaft sollte diese Informationen geben können.
Geflüchtete Menschen (unabhängig, ob Status N, F, S oder B) können die Änderungen auch in der Schweiz erhalten. Oft ist das aber komplizierter. Die Rechtsberatung kann dabei unterstützen. Achtung, in diesen Fällen wird dringend vom Kontakt mit Behörden oder der Vertretung des Heimatlandes abgeraten!
Unter-16-Jährige und Menschen unter umfassender Beistandschaft brauchen die Zustimmung der gesetzlichen Vertretung (Art. 30b Abs. 4 ZGB). Meistens sind das die Eltern oder die Beiständ_in. Wird diese Zustimmung verweigert, kann sich die betroffene Person an die KESB (Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde) wenden.
Verweigern Eltern nach dem Gespräch mit der KESB die Zustimmung weiter, kann die Änderung beim Gericht beantragt werden.
Verweigert die Beiständ_in die Zustimmung, kann die KESB an deren Stelle zustimmen. Verweigert die KESB die Zustimmung, kann die betroffene Person ans Gericht gelangen.
Wo wird die Änderung gemacht?
Die Änderung des amtlichen Geschlechts kann bei jedem Zivilstandsamt der Schweiz erfolgen. Das heisst, es besteht freie Wahl des Zivilstandsamtes und keine Pflicht, zum Zivilstandsamt des eigenen Wohnortes zu gehen.
Schweizer_innen, die im Ausland wohnen, können die Änderung bei der Schweizer Vertretung (Botschaft/Konsulat) in dem Land, in dem sie wohnen, oder bei einem beliebigen Zivilstandsamt in der Schweiz erhalten.
Ist es einer Person unmöglich, persönlich auf dem Zivilstandsamt zu erscheinen, z.B. bei Gefangenen oder Heimbewohner_innen, kann das Zivilstandsamt zur Person kommen.
Schritt-für-Schritt-Anleitung
- Termin vereinbaren: Der Termin kann mit dem Zivilstandsamt der Wahl oder der Schweizer Vertretung per Telefon oder E-Mail vereinbart werden. Bei Bedarf nach Unterstützung, z.B. Übersetzung, ist es gut, dies bei der Terminvereinbarung mitzuteilen. Unter diesem Link gibt es eine Liste aller Zivilstandsämter.
- Mitbringen an den Termin: Identitätsdokument, wie ID / Pass oder Ausländer_innenausweis. Auch die Personen, die gegebenenfalls zustimmen müssen, müssen je ein Identitätsdokument mitbringen und einen Nachweis, dass sie die gesetzliche Vertretung sind (z.B. Geburtsurkunde, in der die Eltern eingetragen sind).
- Begleitung: Es ist möglich, sich von einer Vertrauensperson (Freund_in, Eltern, Geschwister, etc.) begleiten zu lassen, wenn man z.B. zu nervös ist oder Angst hat, den Termin allein wahrzunehmen.
- Erklärung: Für die Änderung muss erklärt werden, dass der bisherige Geschlechtseintrag nicht mit der Geschlechtsidentität übereinstimmt. Dazu ist auf dem Amt ein Formular auszufüllen und zu unterschreiben. Auf dem Formular sind einzutragen: der jetzige Vor- und Nachname, der jetzige Geschlechtseintrag, das Geburtsdatum und der gewünschte Geschlechtseintrag und neue Name. Es werden also keine Fragen zum Trans-Sein oder zur Transition gestellt, das ist nicht erlaubt. Es darf auch keine medizinische oder psychologische Bestätigung des Trans-Seins verlangt werden.
- Vertraulichkeit: Die Erklärung über die Änderung wird in einem separaten Raum des Zivilstandsamtes entgegengenommen, um Fremdoutings zu verhindern.
- Kosten: Die Änderung kostet 75.- Fr., wenn es die Zustimmung der gesetzlichen Vertretung braucht 105.- Fr. In Ausnahmefällen, wenn das Zivilstandsamt mehr Aufwand hat, kann es mehr kosten. Es gibt die Möglichkeit des Gebührenerlasses für Personen, die sich die Kosten nicht leisten können.
- Verweigerung: Das Zivilstandsamt darf die Änderung nur verweigern, wenn offensichtlich ist, dass die Erklärung nicht ernst gemeint ist, zum Beispiel nur als Scherz oder betrunken abgegeben wird.
- Gültigkeit der Änderung: Die Änderung wird sofort gültig, wenn alle notwendigen Unterschriften vorhanden sind.
Wirkungen
Neue Ausweise: Staatliche Stellen erhalten in der Regel automatisch die neuen Daten, sie müssen nicht informiert werden. Jedoch müssen alle neuen Dokumente selbst angefordert werden. Auch Pass, ID oder Ausländer_innenausweis werden nicht automatisch neu ausgestellt. Die neuen Dokumente können, aber müssen nicht sofort angefordert werden; es besteht keine gesetzliche Frist, innert der die neuen Dokumente bestellt werden müssen. Sie behalten ihre Gültigkeit bis zum Ablaufdatum. Theoretisch können Behörden allerdings einen Ausweis mit den alten, nicht mehr amtlichen Angaben einziehen. Der Ausländer_innenausweis in der Schweiz kann angepasst werden, wenn das Heimatland den Geschlechtseintrag nicht ändert.
Als Gedankenstütze, wo die Änderungen gemeldet und welche Dokumente neu ausgestellt werden sollten/könnten, kann folgende Liste dienen:
- Pass und Identitätskarte, Ausländer_innenausweis, Fahrausweis / Fahrzeugschein
- Sozialversicherungs-Ausweise, Krankenkassenkarte
- Organspendeausweis, Blutgruppenausweis, Patient_innenverfügung
- GA/Halbtax
- Bankkonten inkl. Kreditkarten
- E-Mailadressen, Briefkasten und Türklingel
- Ausbildungs- und Arbeitszeugnisse (Achtung: darauf besteht ein Anrecht, siehe 9. Arbeit), Mitarbeitenden-/Studierenden-/Schülerausweis, Bürotürschild, Namensschild, Visitenkarten
- Vereinsmitgliedschaften, Berufsverbände, Zeitungs- und Zeitschriftenabonnemente, Kund_innenkarten
Verträge: Vertragsverhältnisse wie zum Beispiel ein Arbeits-, ein Miet- oder ein Telefonvertrag, die unter dem vorherigen Vornamen und Geschlechtseintrag eingegangen worden sind, dürfen wegen dieser Änderung von der anderen Partei nicht gekündigt werden. Die Verträge gelten also weiter. Es empfiehlt sich aber, die Änderung von Name und Geschlechtseintrag zu melden.
Familie: Die Änderung des Geschlechtseintrages hat keine Auswirkung auf eine Ehe oder eine eingetragene Partnerschaft, und auch an der rechtlichen Beziehung zu bereits geborenen Kindern ändert sich nichts (Art. 30b Abs. 3 ZGB). Das heisst, nur weil eine Person trans ist, darf nicht beispielsweise ein Besuchsrecht eingeschränkt oder die elterliche Sorge entzogen werden. Verheiratete trans Männer, deren Ehefrau ein Kind zur Welt bringt oder die als Ehepaar ein Kind adoptieren, werden automatisch Vater des Kindes.
Weiterführende Informationen:
5. Medizin
Medizinische Angleichungsmassnahmen sind grundsätzlich erlaubt. Ob eine trans Person eine medizinische Geschlechtsangleichung macht oder nicht und wenn ja, welche Schritte, ist allein ihre Entscheidung. Auch in welcher Reihenfolge und mit welchem zeitlichen Abstand Behandlungen gemacht werden, ist nicht vorgegeben. Die Eingriffe werden in der Regel von der Krankenkasse bezahlt, dürfen aber auch auf eigene Rechnung durchgeführt werden. So beispielsweise, wenn eine Operation im Ausland durchgeführt wird, und die Krankenkasse diese nicht bezahlt.
Vor jeder Behandlung braucht es die informierte Einwilligung der trans Person. Das heisst: Die behandelnde Fachperson muss über die Behandlung, was sie bewirkt und was nicht, über Risiken, über allfällige Alternativen, über die Nachsorge und ein mögliches Risiko, dass die Krankenkasse die Kosten nicht übernimmt, informieren. Jede Person muss so aufgeklärt werden, dass sie es versteht und sich frei für oder gegen die Behandlung entscheiden kann. Die Einwilligung darf auch später wieder zurückgezogen werden.
Achtung: Auch medizinische Fachpersonen dürfen nicht ohne medizinischen Grund verlangen, dass sich trans Personen ausziehen! Bei z.B. Psycholog_innen, Psychiater_innen und Endokrinolog_innen gibt es keinen Grund, sich ausziehen zu müssen. Auch bei anderen medizinischen Untersuchungen, bei denen die Geschlechtsmerkmale keine Rolle spielen, müssen diese nicht gezeigt werden.
Die Ärzt_innen müssen sich immer an den aktuellen Behandlungsstandards, dem aktuellen Wissensstand der Medizin orientieren (Art. 40 MedBG). Für die Behandlung von trans Menschen sind das vor allem die Standards of Care der World Professional Association for Transgender Health und die Schweizer Empfehlungen (siehe weiterführende Informationen). Entsprechend ist es beispielsweise nicht zwingend, vor einer Operation eine Hormonbehandlung zu machen. Ärzt_innen, die eine Behandlung nicht in entsprechender Qualität durchführen können, sollten sie nicht anbieten oder mindestens im Rahmen der Aufklärung darüber informieren.
Vor einer Behandlung dürfen verschiedene Ärzt_innen konsultiert werden, um sich zu informieren und zu entscheiden, von wem man sich behandeln lassen möchte. Ein Termin bei einer Ärzt_in verpflichtet nicht dazu, sich dort (oder überhaupt) behandeln zu lassen. Ein Wechsel der Ärzt_in ist auch während einer Hormontherapie oder psychologischen / psychiatrischen Begleitung erlaubt. Umgekehrt sind auch Ärzt_innen (vor allem in einer privaten Praxis) nur in Ausnahmefällen verpflichtet, eine Person zu behandeln.
Für Hormone und Operationen verlangen die Ärzt_innen teilweise eine psychologische oder psychiatrische Bestätigung des Trans-Seins und darüber, dass die körperliche Angleichung befürwortet wird. Solche Bestätigungen sind jedoch nicht mehr vereinbar mit dem von allen Ärzt_innen zu beachtenden aktuellen Wissensstand der Medizin: Die Diagnose «Geschlechtsinkongruenz» nach ICD-11 der Weltgesundheitsorganisation ist im Gegensatz zur ICD-10 keine Psychopathologie mehr, sondern ein Zustand in Bezug zur sexuellen Gesundheit. Da die Kategorisierung als «psychische und Verhaltensstörung» medizinisch veraltet ist, kann sie für das ärztliche Handeln aufgrund der Berufspflichten nicht mehr gelten – dies unabhängig davon, ob die ICD-11 für die Abrechnungen der Krankenversicherung bereits umgesetzt ist oder nicht.
Weiterführende Informationen:
- Hannes Rudolph et al.: Von der Psychopathologisierung zum affirmativen Umgang mit Geschlechtervielfalt, Swiss Medical Forum 2023;23(4):856–860.
- David Garcia Nuñez et al.: Geschlechtsangleichende Behandlungsoptionen bei Menschen mit Geschlechtsinkongruenz, Swiss Medical Forum 2023;23(4):862–865
6. Krankenkasse
Grundsätzlich müssen die Kosten für die medizinische Angleichung der primären und der sekundären Geschlechtsmerkmale von der Grundversicherung der Krankenkasse übernommen werden, wenn die Angleichung in der Schweiz gemacht wird. Dabei darf es keine Rolle spielen, bei welcher Krankenkasse die Versicherung besteht. Nach Gesetz müssen alle Grundversicherungen die gleichen Leistungen erbringen. In der Praxis zeigen sich jedoch Unterschiede, gewisse Versicherungen fallen durch häufige Leistungsablehnungen auf. Wir können entsprechend nicht garantieren, dass eine Krankenkasse sich nicht im Einzelfall weigert, die Kosten zu übernehmen. Im Fall einer Ablehnung kann die Rechtsberatung kontaktiert werden.
Achtung: Wurde eine Versicherung mit Einschränkungen abgeschlossen, sind diese zu beachten. So muss beispielsweise bei einem Hausarzt- oder Telmedmodell immer zuerst die Hausärzt_in oder die Telefonberatung konsultiert werden. Auch z.B. Einschränkungen der Spitalwahl sind möglich.
Wie alle ärztlichen Leistungen müssen auch Angleichungsmassnahmen gemäss Krankenversicherungs-Gesetz für die Einzelperson als wirksam, zweckmässig und wirtschaftlich eingestuft werden (Art. 32 KVG). Verlangt wird die Diagnose trans („Gender Dysphorie“ oder „Geschlechtsinkongruenz“) und eine Bestätigung, dass die gewünschte Massnahme notwendig ist, dass es nicht ohne diese geht und auch nicht mit einer kostengünstigeren Variante. In Bezug auf Gesichtsfeminisierungen (Facial Feminisation Surgery, FFS) schränkte das Bundesgericht die Leistungspflicht in einer Art ein, die nicht mit dem aktuellen Stand der Medizin vereinbar ist: Die Krankenversicherung sei nur dann leistungspflichtig, wenn ein sekundäres Geschlechtsmerkmal, im Fall von trans Frauen, typisch männlich und unvereinbar mit dem weiblichen Geschlecht sei. Allenfalls kann die Leistungspflicht der Krankenkasse aber dennoch begründet sein, wenn die trans Person aufgrund der nicht erfolgten Operation psychisch erkrankte (Bundesgericht, Urteil 9C_123/2022 vom 28. November 2022).
Der Krankenversicherung müssen alle Auskünfte gegeben werden, die es braucht, um den Leistungsanspruch abzuklären – aber nicht mehr (Art. 28 ATSG). Nach der Rechtsprechung des EGMR ist die medizinische Notwendigkeit geschlechtsangleichender Behandlungen von einer medizinischen Expert_in, und insbesondere nicht von Jurist_innen, zu beurteilen. Ein Gericht, das nicht über die entsprechenden medizinischen Kenntnisse verfügt, darf nicht die Bedürfnisse und Erfahrungen der trans Person ersetzen durch eigene verallgemeinerte Annahmen darüber, was männlich und was weiblich sei. Zudem darf die Beweislast für die Geschlechtsinkongruenz und die medizinische Notwendigkeit der Behandlung nicht der trans Person auferlegt werden (EGMR, Van Kück v. Germany, Urteil vom 12. Juni 2003, Application no. 35968/97, §§ 55-57, 81-82).
Sehr oft verlangen Krankenkassen Voraussetzungen, die aus medizinischer Sicht nicht begründet sind oder stellen unsinnige Nachfragen. Solche Forderungen sind unzulässig. Auch Krankenversicherungen und ihre vertrauensärztlichen Dienste müssen sich an den jeweils aktuellen Stand des medizinischen Wissens halten, also insbesondere die Standards of Care der World Professional Association for Transgender Health und die Schweizer Empfehlungen (siehe 5. Medizin).
Unzulässig sind daher beispielsweise folgende Forderungen:
- Alltagstest
- Jede Vorgabe zu Transitionsreihenfolge oder -tempo
- Mindestalter, z.B. von 25 Jahren
- Zwingende psychologische oder psychiatrische Begleitung oder Hormonbehandlung vor (operativen) körperlichen Angleichungen. Unzulässig ist es daher auch, eine Mindestdauer der Behandlung zu fordern (EGMR, Schlumpf c. Suisse, Urteil vom 8. Januar 2009, Requête no. 29002/06)
- Ausschluss von nicht binären Personen
Folgende Behandlungen werden (nicht) übernommen:
– Begleitung durch Psychiater_in oder durch Psycholog_in, wenn von einer Ärzt_in angeordnet (Art. 11b KLV), werden übernommen
– Hormonbehandlung: Übernommen werden Östrogen und Testosteronblocker zur Verweiblichung, Testosteron und Östrogenblocker zur Vermännlichung sowie Pubertätsblocker. Achtung: Hormonpräparate, die nicht auf der Spezialitätenliste aufgeführt sind, wie beispielsweise Testo-Gel, sind nicht von der Leistungspflicht der Krankenkassen ausgeschlossen (Art. 71b KVV). Aus dem Ausland eingeführte Hormonpräparate, die dort nicht für Transitionszwecke zugelassen sind (sog. Off-Label-Use), dürfen hingegen nicht bezahlt werden (Art. 71c KVV).
– Operationen zur Vermännlichung: Bezahlt werden Mastektomie (inkl. Kompressionsweste), Hysterektomie, Ovarektomie, Metoidioplastik, Penisaufbau (inkl. Erektionsprothese)
– Nicht bezahlt werden Penis-Hoden-Epithesen
– Operationen zur Verweiblichung: Übernommen werden Brustaufbau, Vaginalplastik, Adamektomie, Stimmbänderverkürzung, Gesichtsfeminisierung („Facial Feminisation Surgery“), Haartransplantation
– Epilation: Wird nur übernommen, wenn sie durch eine Ärzt_in (meist Dermatologie) gemacht wird; Haarentfernungen durch Laserstudios oder Kosmetikstudios werden nicht bezahlt (Bundesgericht, Urteil 9C_183/2016 vom 26. Juni 2016). Übernommen werden sollten sowohl die Entfernung der Barthaare als auch (typisch männliche) Körperbehaarung an allen sichtbaren Körperstellen. Als sichtbare Körperstellen gilt auch, was z.B. beim Sport, Baden oder in Sommerkleidern sichtbar ist (Bundesgericht, Urteil 9C_465/2010 vom 6. Dezember 2010). Leider wird die Kostengutsprache immer wieder nur für eine bestimmte Anzahl Sitzungen erteilt. Ist das Behandlungsziel danach nicht erreicht, kann eine erneute Kostenübernahme beantragt werden. Dies gilt sowohl für Laser- als auch Nadelepilation.
– Logopädie: Mit Überweisung durch, in der Regel, die Psychiater_in. Es wird immer nur eine bestimmte Anzahl Sitzungen übernommen.
– Perücken oder Haarersatzteile: Trans Frauen, die unter (typisch „männlicher“) Glatzenbildung leiden, können diese als Hilfsmittel von der Invalidenversicherung (IV) bezahlt werden (Bundesgericht, Urteil 9C_550/2012 vom 13.7.2013). Die Zuständigkeit der IV hängt nicht von einer IV-Rente oder der Erwerbsfähigkeit der Person ab. Der Beitrag ist auf CHF 1’500.- pro Jahr begrenzt.
Übernommen werden Leistungen sowohl der Gynäkologie als auch der Urologie bei allen trans Menschen mit den entsprechenden Geschlechtsmerkmalen.
Grundsätzlich gilt in der Schweiz die freie Wahl der Ärzt_in (Art. 41 KVG). Das heisst, jede Person kann frei wählen, zu welcher Psychiater_in, zu welcher Endokrinolog_in, zu welcher Chirurg_in, etc. sie gehen will. Bei Operationen kann auch das Krankenhaus (allgemeine Abteilung) in der ganzen Schweiz frei gewählt werden. Zu beachten ist, dass es ein sogenanntes Listenspital sein muss, das heisst, die entsprechende Operation in dem Spital bezahlt werden muss. Wird statt dem Listenspital des Wohnkantons ein Listenspital eines anderen Kantons gewählt, und ist die Operation dort teurer, kann die Krankenkasse die Differenz in Rechnung stellen. An die durch Privatärzt_innen und/oder in Privatkliniken durchgeführten Operationen wird nur der Anteil bezahlt, der den Kosten in der allgemeinen Abteilung entspricht.
Von der Grundversicherung meistens nicht übernommen werden Kosten für Leistungen (insbesondere Operationen), die im Ausland erbracht werden. Einen Ausnahmefall gibt es, die sogenannte Versorgungslücke. Gemäss Bundesgericht müssen Behandlungen im Ausland dann bezahlt werden, wenn diese in der Schweiz gar nicht angeboten werden oder nur mit einem unzumutbar hohen medizinischen Risiko. Die Krankenkasse muss für die beantragte Operation das Risiko in der Schweiz detailliert abklären (BGE 145 V 170). Entscheidend ist also, ob der Person die Operation in der Schweiz aus medizinischer Sicht zugemutet werden kann oder nicht. Nicht ausreichend ist es, dass im Ausland eine andere, persönlich bevorzugte Technik angeboten wird. Keinen Einfluss haben dürfen tiefere Kosten im Ausland. So oder so möglich ist aber diese Kostenübernahme durch eine Zusatzversicherung. Insbesondere für Genitaloperationen empfehlen wir trotz der Kosten, diese Option wegen der Qualität der Operationen ernsthaft zu prüfen.
Die privaten Zusatzversicherungen decken unterschiedliche Leistungen, je nach Krankenkasse und gewählter Zusatzversicherung. Achtung: Gewisse Krankenkassen schliessen Geschlechtsangleichungen explizit aus. Daher ist es wichtig, die Vertragsbestimmungen, den Leistungskatalog und auch das Kleingedruckte vor Vertragsabschluss zu lesen. Eine Zusatzversicherung ist für trans Menschen empfehlenswert. Zusatzversicherungen und Grundversicherung müssen nicht bei der gleichen Kasse abgeschlossen werden.
Werden indizierte medizinische Behandlungen selbst bezahlt, können diese Auslagen als Krankheitskosten von den Steuern abgezogen werden.
Weiterführende Informationen:
- Garcia Nuñez, David / Recher, Alecs: Frau, Mann – Individuum. Die neuen medizinischen Empfehlungen zur Begleitung von Transmenschen und ihre Auswirkungen auf die Leistungspflicht nach KVG, in: Jusletter 18. August 2014
7. Kinder und Jugendliche
Trans Kinder haben Rechte: Vor allem die Kinderrechte gelten auch für sie. Das wichtigste Recht jedes Kindes ist das Kindeswohl (Art. 3 Kinderrechts-Konvention). Das Kindeswohl ist der Leitfaden im Umgang auch mit trans Kindern. So dürfen Eltern, Schule, etc. dem Kind nicht schaden, sondern müssen dafür sorgen, dass es sich gut und gesund entwickeln kann. Das Erziehungsrecht der Eltern gibt diesen zwar gewisse Entscheidungsrechte über das Kind, darf aber nicht zum Schaden des Kindes missbraucht werden. Bei trans Kindern bedeutet das vor allem, dass sie in ihrer Geschlechtsidentität anerkannt werden müssen, dass sie sich selbst sein dürfen und deswegen keinen Nachteil erleiden.
Trans Menschen unter 18 Jahren dürfen also auch so leben, wie es ihrer Geschlechtsidentität entspricht. Trans Mädchen dürfen zum Beispiel Röcke tragen, Schmuck, sich mit einem Mädchennamen nennen lassen, etc. Knaben dürfen zum Beispiel einen männlichen Namen brauchen, die Herrentoilette benutzen, etc. Auch nicht binäre Kinder und Jugendliche dürfen sich so kleiden, nennen lassen, etc., wie es ihnen entspricht.
Weigern sich Eltern, ein trans Kind als solches zu akzeptieren, beispielsweise indem sie das Kind für sein Aussehen bestrafen, es zu «Konversionsmassnahmen» bringen wollen, eine medizinisch notwendige Transition verhindern oder ihm für den Fall von Transitionsschritten drohen, kann die Kindesschutzbehörde angerufen werden. Bedrohte Kinder können auch in Angeboten wie z.B. dem Schlupfhuus in Zürich Schutz suchen.
Trans Kinder haben das Recht, dass sie alters- und entwicklungsgerecht informiert und angehört werden, wenn es um sie geht (Art. 12 Kinderrechts-Konvention). So muss zum Beispiel eine Schule ein trans Kind einbeziehen, wenn es um den Umgang mit diesem Kind geht. Es reicht also nicht, nur mit den Eltern zu reden. In jedem Gerichtsverfahren, das (auch) ein Kind betrifft, kann das Kind Unterstützung von einer Kinderanwält_in erhalten.
Schulen müssen die Rechte von trans Kindern schützen und achten (Art. 11 BV). So haben trans Schüler_innen das Recht, in ihrer Geschlechtsidentität anerkannt zu werden. Das bedeutet beispielsweise, dass trans Mädchen als Mädchen und mit dem neuen, selbst gewählten Namen angesprochen werden, wenn sie dies wünschen. Auch Dokumente wie Klassenlisten, Schüler_innenausweise oder Zeugnisse müssen auf Wunsch auf den neuen Namen ausgestellt werden, unabhängig davon, ob dieser amtlich ist oder nicht. Denn die Schule darf trans Kinder nicht gegen deren Willen outen (Art. 10 BV; Art. 8 EMRK). Wird ein trans Schulkind (transfeindlich) misgendert, angegriffen oder angefeindet, ist die Schule verpflichtet, einzugreifen und das Kind zu schützen. Deshalb ist auch die Kündigung einer Lehrperson, die sich beständig weigert, einen trans Schüler mit seinem Jungennamen und als «er» anzusprechen, zulässig (Bundesgericht, Urteil 8C_385/2022 vom 14. Juni 2023).
Für den Umgang mit trans Kindern in Klassenlagern, die Teilnahme am Sportunterricht oder die Nutzung von Toiletten und Garderoben sind primär das Wohl des Kindes und das Diskriminierungsverbot zu beachten. Auch trans Kinder müssen gleichberechtigt an allen Schulaktivitäten teilnehmen können, ohne einer Gefährdung ausgesetzt zu werden. Es ist die Aufgabe der Schule, dies zu ermöglichen – nicht die Aufgabe des trans Kindes, mit Feindlichkeit oder Gefährdung umzugehen. Für den Umgang mit trans Schulkindern finden sich viele praktische Informationen in der Broschüre «Trans Schüler_innen – Best-Practice-Leitfaden für eine Transition in Schule und Ausbildung».
Jugendliche dürfen sich auf Lehrstellen bewerben mit dem selbstgewählten Namen und der eigenen Geschlechtsidentität entsprechend. Wenn es aber klappt mit der Zusage für eine Lehrstelle, dann muss der amtliche Vorname und Geschlechtseintrag angegeben werden. Siehe auch die Informationen unter 9. Arbeit.
Für die hormonelle und operative Geschlechtsangleichung müssen Jugendliche nicht volljährig, also 18-jährig, sein (Art. 19c Abs. 1 ZGB). Entscheidend ist die individuelle Entwicklung. Auch wenn es kein Mindestalter gibt: Körperliche Geschlechtsangleichungen werden erst ab Einsetzen der Pubertät begonnen, meist mit Pubertätsblockern. Jugendliche, die verstehen, auf was sie sich einlassen, die gut informiert sind und die die Folgen der entsprechenden Behandlung verstanden haben (das heisst „urteilsfähig“ sind), dürfen Hormone nehmen und Operationen machen lassen. Eine Zustimmung der Eltern braucht es dafür nicht und darf auch nicht vorausgesetzt werden. Medizinische Behandlungen sind allein der Entscheid der urteilsfähigen Person. Nur wenn Jugendliche nicht urteilsfähig sind in Bezug auf eine notwendige Behandlung können die Eltern (respektive die gesetzliche Vertretung) an ihrer Stelle entscheiden.
Zur Änderung von (Vor-)Name und Geschlechtseintrag siehe unter 3. (Vor-)Namensänderung und 4. Änderung Geschlechtseintrag.
Weiterführende Informationen:
- Kinderrechtskonvention
- Andrea Büchler, im Auftrag der Stadt Zürich: Trans Kinder in der Schule, Juristische Expertise
8. Elternschaft und Ehe
Für trans Menschen gibt es keine speziellen Regelungen zur Fortpflanzungsmedizin; diese und die Regeln zur Elternschaft sind aus der Perspektive von cis Personen erlassen worden. Deshalb bestehen verschiedene Unklarheiten, aber auch Regelungen, die bei wörtlicher Anwendung auf trans Personen klar zu einer – meist unzulässigen – Diskriminierung führen würden.
Fortpflanzungsmedizin
Trans Person können Samen- respektive Eizellen von sich aufbewahren lassen. Die Dauer, wie lange die Samen- respektive Eizellen aufbewahrt werden dürfen, ist von Gesetzes wegen auf zwei mal fünf Jahre begrenzt. Eine Verlängerung ist nur dann möglich, wenn eine Person aus Krankheitsgründen unfruchtbar geworden ist (Art. 15 FMedG). Bei trans Menschen, die Hormone nehmen oder die Fortpflanzungsorgane entfernen liessen, ist das der Fall. Daher muss eine längere Aufbewahrung als zehn Jahre möglich sein. Die Kosten dafür werden nicht von der Grundversicherung der Krankenkasse übernommen. Über die Zusatzversicherungen wäre das allenfalls möglich, es ist aber oft nicht in den Leistungen enthalten.
In der Schweiz dürfen nur Paare medizinisch bei der Fortpflanzung unterstützt werden, wenn zu beiden Eltern ein rechtliches Kindsverhältnis entstehen wird (Art. 3 Abs. 2 FMedG). Die Zeugung eines Kindes mit gespendeten Samenzellen (Fremdsamenspende) ist nur bei verheirateten Paaren zulässig (Art. 3 Abs. Abs. 3 FMedG). Wenn eine Person Samenzellen konservieren lässt, dann kann die eigene Partner_in damit schwanger werden, unabhängig davon, ob das Paar verheiratet ist oder nicht. Wenn eine Person Eizellen konservieren lässt, dann darf nur diese Person selbst damit später schwanger werden. Die Eizellenspende ist in der Schweiz verboten, auch an die eigene (Ehe-)Partner_in; ebenso verboten sind die Embryonenspende und die Leihmutterschaft (Art. 4 FMedG).
Adoption
Bei der Adoption gelten für trans Menschen die gleichen Regeln wir für cis Menschen. Im staatlichen Adoptionsverfahren dürfen trans Menschen nicht diskriminiert werden (Art. 8 BV).
Entstehung des Kindsverhältnisses
In der Schweiz kann ein Kind nicht mehr als zwei rechtliche Eltern haben. Die Person, die das Kind ausgetragen hat, ist ein Elternteil («Mutter»). Das Kindsverhältnis zur anderen Person kann entstehen durch Ehe mit der «Mutter», durch Anerkennung des Kindes vor oder nach der Geburt oder durch Urteil (Art. 252 ZGB). Wird dem zweiten Elternteil die rechtliche Elternschaft verweigert, ist es möglich, den Weg der Stiefkindadoption zu gehen (Art. 264c ZGB). In der Praxis ist dieser Weg jedoch äusserst aufwändig.
Wer als «männlich» eingetragen ist und mit der gebärenden Person verheiratet, wird automatisch «Vater» (Art. 255 ZGB). Dies gilt auch für trans Männer, auch wenn sie nicht biologischer Elternteil sein können.
Ist die gebärende Person mit einer Person, die als «weiblich» registriert ist, verheiratet, dann wird diese ebenfalls ab Geburt automatisch Mutter. Dies aber nur, wenn das Kind in der Schweiz mittels Fortpflanzungsmedizin und Samenspende gezeugt wurde (Art. 255a ZGB). Unklar ist die Situation, wenn gar keine Samenspende notwendig ist, weil die Partnerin trans ist. Unserer Meinung nach wäre es eine unzulässige Diskriminierung und Verletzung der Rechte des Kindes, wenn in dem Fall nicht auch zu beiden Eltern ab Geburt ein Kindsverhältnis entstehen würde.
Bei nicht verheirateten Paaren kann die samengebende Person das Kind bereits während der Schwangerschaft anerkennen und damit ab Geburt rechtlicher Elternteil werden. Weil es das leibliche Kind ist, muss die Anerkennung auch dann möglich sein, wenn die samengebende Person trans und als weiblichen Geschlechts eingetragen ist.
Eintragung als Mutter / Vater
Im Grundsatz wird die Person, die das Kind geboren hat, als «Mutter» eingetragen. Dies wird leider auch bei trans Männern so gemacht, selbst wenn sie offiziell als «männlich» registriert sind.
Trans Frauen, mit deren Sperma das Kind gezeugt wurde, werden allenfalls als «Vater» eingetragen. Unklar ist die rechtliche Situation dann, wenn eine trans Frau mit ihrer cis Ehefrau ein Kind zeugt, vor allem, wenn sie dazu Fortpflanzungsmedizin in der Schweiz in Anspruch nehmen. Denn im gleichen Fall von zwei cis Frauen werden beide automatisch ab Geburt «Mutter» (Art. 255a ZGB). Wird die trans Frau als «Vater» eingetragen, nur weil sie keine Fremdsamenspende für die Zeugung benötigten, ist dies unserer Einschätzung nach eine unzulässige Diskriminierung (Art. 8 BV).
Die falsche Eintragung (trans Männer als «Mutter», trans Frauen als «Vater») missachtet das Recht auf Anerkennung der Geschlechtsidentität und setzt Kind und Eltern der Gefahr von Diskriminierung aus. Trans Väter und Mütter, die ihren offiziellen Geschlechtseintrag geändert haben, sollten daher vom Zivilstandsamt zumindest ein offizielles Dokument erhalten können, mit dem sie nicht geoutet werden.
«Mutter»schutz / «Vaterschaftsurlaub»
Jede schwangere Person geniesst besondere Schutzrechte im Arbeitsrecht und hat Anspruch auf mindestens 14 Wochen «Mutterschaftsurlaub» nach der Geburt (Art. 16b ff. EOG). Diese Rechte hat jede schwangere respektive gebärende Person, auch als «männlich» eingetragene trans Menschen. Der Elternteil, der das Kind nicht geboren hat, hat Anspruch auf zwei Wochen «Vaterschaftsurlaub», wenn er rechtlicher Elternteil des Kindes ist (Art. 16i ff. EOG). Das gilt geschlechtsunabhängig.
Transition als Elternteil oder Ehepartner_in / eingetragene Partner_in
Trans Eltern und verheiratete oder in eingetragener Partnerschaft lebende trans Menschen haben das gleiche Recht, entsprechend ihrer Geschlechtsidentität zu leben und ihre Transition zu machen, wie andere trans Menschen.
Ehepartner_innen und eingetragene Partner_innen von trans Menschen haben grundsätzlich das Recht, über das Trans-Sein und eine bevorstehende Transition informiert zu werden, aber auch die Pflicht, der trans Partner_in beizustehen (Art. 159 ZGB). Dass die Ehe wegen einem Coming-out oder einer Transition der Partnerperson nicht mehr zumutbar ist, und sie sich deshalb vor zwei Jahren Getrenntleben scheiden lassen kann, ist nur in Ausnahmefällen zu bejahen (Art. 115 ZGB).
Die rechtliche Elternschaft darf nicht wegen dem Trans-Sein aufgehoben werden und auch der Kontakt zu den Kindern nicht eingeschränkt werden. Auch im Fall einer Scheidung dürfen die Kinder nicht einem Elternteil weggenommen werden oder das Besuchsrecht eingeschränkt werden, nur weil die Person trans ist (EGMR, A.M. and Others v. Russia, Urteil vom 6. Juli 2021, Application no. 47220/19).
Weiterführende Informationen:
9. Arbeit
Das Gleichstellungsgesetz gilt auch für trans Menschen, es schützt auch vor Diskriminierung aufgrund der Geschlechtsidentität im Erwerbsleben (BGE 145 II 153). In jedem Kanton gibt es eine entsprechende Schlichtungsstelle, die bei Problemen angerufen werden kann. Nicht zulässig sind also z.B. Nichteinstellung, Kündigung, Lohnkürzung oder die Versetzung in eine schlechtere Position, weil eine Person trans ist. Ein Verbot, entsprechend der eigenen Geschlechtsidentität am Arbeitsplatz zu erscheinen (also beispielsweise als trans Frau nicht die gleiche Kleidung, Frisur, Make-up etc. tragen zu dürfen wie cis Kolleginnen in der gleichen Arbeitsposition), ist nur zulässig, wenn es nicht diskriminierend, sondern notwendig und verhältnismässig ist (European Commission of Human Rights, Kara v. the United Kingdom, Entscheid vom 22. Oktober 1998, Application no. 36528/97).
Bei einer Bewerbung muss das Trans-Sein nicht angeben werden, ausser dies wäre eine relevante Information für die spezifische Stelle (dies ist selten der Fall). Wurden der (Vor-)Name und Geschlechtseintrag noch nicht offiziell geändert, müssen der offizielle Name und das offizielle Geschlecht aber spätestens dann offengelegt werden, wenn die Arbeitgeberin die Zusage für die Stelle erteilt. Dies, weil die Abwicklungen z.B. für die AHV und die Pensionskasse unter anderem vom Geschlechtseintrag abhängig sind. Wird das Stellenangebot zurückgezogen, weil die Person trans ist, ist dies eine unzulässige Diskriminierung.
Arbeitgeberinnen haben eine Fürsorgepflicht auch gegenüber trans Mitarbeitenden (Art. 328 OR). Diese beinhaltet unter anderem, dass die Person nicht gegen ihren Willen als trans geoutet werden darf, weder intern noch extern, und die dazu notwendigen Massnahmen getroffen werden müssen. Folglich wird das Arbeitszeugnis entsprechend der Geschlechtsidentität ausgestellt. Auf Wunsch der trans Person gilt das auch dann, wenn der Name oder Geschlechtseintrag noch nicht amtlich geändert wurden. Frühere Arbeitgeberinnen sind aufgrund der nachvertraglichen Fürsorgepflicht verpflichtet, das Arbeitszeugnis neu auszustellen entsprechend der Geschlechtsidentität der Arbeitnehmer_in. Auch das gilt unabhängig der amtlichen Änderung von Name und Geschlechtseintrag. In Bezug auf die Benutzung von Garderobe, Dusche oder Toilette bedeutet die Fürsorgepflicht, dass sich die Arbeitgeberin darum kümmern muss, dass eine Lösung gefunden wird, in der sich die trans Person sicher und wohl fühlt, die aber auch auf berechtigte Bedürfnisse der Kolleg_innen Rücksicht nimmt und die praktisch umsetzbar ist. Wir empfehlen daher, in einem Gespräch eine individuell und für möglichst alle Beteiligten passende Lösung zu suchen (siehe das Beratungsangebot von TGNS)
Arbeitsunfähigkeit aufgrund von geschlechtsangleichenden Operationen wird gleich behandelt wie andere krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit, das heisst, es besteht Lohnfortzahlungsanspruch (Art. 324a OR). Denn es handelt sich dabei um medizinisch indizierte Behandlungen. Die Dauer der Arbeitsunfähigkeit, also der Rekonvaleszenzzeit nach einer Operation, hängt unter anderem von der Art der Arbeit ab. Bei körperlicher Arbeit dauert sie länger als z.B. bei Büroarbeit. Unzulässig ist es, von einer trans Person zu verlangen, für Operationen (unbezahlten) Urlaub zu beziehen oder Überstunden dadurch abzubauen. Da geschlechtsangleichende Operationen in aller Regel planbar sind, haben Arbeitgeberin und Arbeitnehmer_in bei der Planung des Operationstermins möglichst aufeinander Rücksicht zu nehmen. Allerdings muss die Arbeitgeberin berücksichtigen, dass ein Operationstermin nicht frei gewählt werden kann.
Weiterführende Informationen:
- gleichstellungsgesetz.ch: Informationen und Sammlung von Entscheiden
- Claudia Kaufmann / Sabine Steiger-Sackmann (Hrsg.): Kommentar zum Gleichstellungsgesetz, 3. Aufl., Basel 2022.
- Transwelcome.ch
Für trans Frauen endet die Militärpflicht, wenn ihr Geschlechtseintrag «weiblich» ist (Art. 59 Abs. 2 BV). Davor ist es möglich, sich mit einem Arztzeugnis untauglich erklären zu lassen und damit vom Militärdienst befreien zu lassen. Meistens sind dann aber Ersatzabgaben zu bezahlen.
Trans Männer werden militärpflichtig, wenn sie den Geschlechtseintrag «männlich» haben (Art. 59 Abs. 1 BV). Sie können aber mit einem Arztzeugnis doppelt untauglich erklärt werden. Das heisst, sie müssen nicht einrücken und auch nicht in den Zivilschutz oder Zivildienst. Dafür müssen sie meistens Ersatzabgaben bezahlen.
Die Ersatzabgaben müssen längstens während elf Jahren oder bis zum Alter von 37 Jahren bezahlt werden (Art. 3 WPEG). In dem Jahr, in dem der amtliche Geschlechtseintrag geändert wird, müssen trans Frauen nur bezahlen, wenn sie die Änderung nach dem 1. Juli machen. Trans Männer müssen in dem Jahr der Änderung des Geschlechtseintrages nur bezahlen, wenn sie die Änderung vor dem 1. Juli machen.
Trans Menschen, die ins Militär möchten und auch tauglich sind, sollten Dienst leisten können. Wir empfehlen trans Personen, die am Militärdienst interessiert sind, sich frühzeitig direkt bei der armee-eigenen Fachstelle Frauen in der Armee und Diversity beraten zu lassen.
Da bisher nur die Optionen Militärdienst und doppelte Untauglichkeit bestehen, ist der Zugang von trans Mensch zu Zivilschutz und Zivildienst noch unklar. Entsprechend besteht hier das Potential von unzulässiger Diskriminierung (Art. 8 BV). Für den Zugang zum Zivilschutz müsste eine trans Person statt doppelt untauglich schutzdiensttauglich erklärt werden, um Zivildienst leisten zu können, muss eine Person zuerst militärdiensttauglich erklärt werden und dann den zivilen Ersatzdienst beantragen.
11. Asyl
Trans zu sein, respektive die Verfolgung aufgrund der Geschlechtsidentität oder des Geschlechtsausdrucks, gilt als anerkannter Grund für die Gewährung von Asyl (Art. 3 AsylG, Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe). Es ist für das Asylverfahren wichtig, sich von Anfang an gegenüber dem SEM als trans zu outen.
Asylsuchende haben das Recht auf Schutz vor Transfeindlichkeit und Anerkennung in ihrer Geschlechtsidentität, auch im Asylzentrum. Wir raten jedoch nachdrücklich dazu, trans Menschen nicht in kollektiven Asylunterkünften unterzubringen. Die Erfahrung zeigt, dass der Schutz vor Gewalt nicht gewährleistet werden kann.
Alle Asylsuchenden haben das Recht auf eine kostenlose Rechtsvertretung. Diese ist unabhängig vom Staat. Wir empfehlen, dieses Angebot in Anspruch zu nehmen.
Trans Asylsuchende können wünschen, dass sie im Asylinterview nur von Frauen befragt werden. Die Befragerin muss sich genug gut auskennen mit dem Thema Trans, um ein faires Asylverfahren zu ermöglichen.
Asylsuchende trans Menschen müssen diskriminierungsfrei Zugang zu medizinischer Versorgung bekommen. Vor allem muss eine Hormonbehandlung ohne Unterbruch weitergeführt werden können und bei Bedarf möglichst bald eine trans- und flucht-sensible psychologische / psychiatrische Begleitung ermöglicht werden. Für die Kostenübernahme für geschlechtsangleichende Behandlungen gelten die Informationen unter 6. Krankenkasse. Asylsuchende sind allerdings meistens in der Wahl der Ärzt_innen eingeschränkt, die Krankenkassen zahlen oft nicht Behandlungen in der ganzen Schweiz. Weil es nur wenige Spezialist_innen für trans Behandlungen gibt, muss allenfalls für eine ausreichende Qualität eine ausserkantonale Behandlung ermöglicht werden.
Trans Menschen, die aufgrund ihrer Geschlechtsidentität in der Schweiz um Asyl ersuchen, empfehlen wir, sich an die Gruppe Trans Refugees and Asylum Seekers von TGNS zu wenden ().
Zur Änderung von Name und Geschlechtseintrag siehe unter 3. (Vor-)Namensänderung und 4. Änderung Geschlechtseintrag.
Weiterführende Informationen:
- United Nations High Commissioner for Refugees: Guidelines on International Protection No. 9: Claims to Refugee Status based on Sexual Orientation and/or Gender Identity within the context of Article 1A(2) of the 1951 Convention and/or its 1967 Protocol relating to the Status of Refugees
- International Commission of Jurists (icj): Refugee Status Claims Based on Sexual Orientation and Gender Identity – A Practitioners’ Guide, 2016.
- Staatssekretariat für Migration: Handbuch Asyl und Rückkehr, Artikel D2.1 Die geschlechtsspezifische Verfolgung
- Schweizerische Flüchtlingshilfe: Asylgesuche aufgrund von sexueller Orientierung, Geschlechtsidentität, Geschlechtsausdruck und Geschlechtsmerkmalen (SOGIGAGM): ein Leitfaden für Rechtsvertretungen und -beratungen, 2019.
- Asile LGBT / Queeramnesty: Geflüchtete LGBTI-Menschen, Praxisleitfaden für eine auf Integration und Gleichbehandlung ausgerichtete Aufnahme, 2019.
- Rainbow Spot: Personnes LGBTQIA+ en situation migratoire : quels droits ?, 2023.
- Rainbow Spot: LGBTQIA+ Migrants: Know your rights!, 2023.
12. Haft
Trans Menschen haben auch Rechte, wenn sie im Gefängnis sind. Das Schweizerische Kompetenzzentrum für den Justizvollzug (SKJV) hat ein Grundlagenpapier dazu publiziert. Folgende Punkte daraus sind in Bezug auf inhaftierte trans Personen zu beachten:
Grundsätze
- Schutz vor jeder Form der Gewalt durch andere Inhaftierte und durch Mitarbeitende;
- Diskriminierungsverbot, beispielsweise ist der Zugang zu Bildungs-, Arbeits- und Freizeitangeboten diskriminierungsfrei zu gewährleisten und das Besuchsrecht sicher und diskriminierungsfrei auszugestalten.
Anerkennung der Geschlechtsidentität, des Geschlechtsausdrucks und medizinischen Bedarfs
- Respektieren des gewünschten Namens und entsprechender Anrede in der Kommunikation, unabhängig amtlicher Einträge;
- Zugang zu Kleidung, Hilfsmitteln (Binder, Perücken, etc.) und weiteren Produkten (z.B. Make-up), die für den Ausdruck der Geschlechtsidentität benötigt werden;
- Recht auf gleichwertigen Zugang zu (transitionsspezifischer) Gesundheitsversorgung und Sicherstellen der nahtlosen Fortführung von Behandlungen;
- Zugang zu Änderung von Name und Geschlechtseintrag ermöglichen.
Unterbringung
- Einweisung bei den Frauen respektive Männern basierend auf der Geschlechtsidentität ermöglichen, die trans Person in dieser Entscheidfindung einbeziehen und bei Bedarf die Einweisung überprüfen und anpassen;
- Keine Isolation oder Einzelhaft aufgrund des Trans-Seins, aber Möglichkeit der Unterbringung in einer Einzelzelle.
Leibesvisitation
- Durchführung der Leibesvisitation in zwei Etappen;
- Leibesvisitation durch eine Person des von der trans Person bevorzugten Geschlechts, allenfalls auch durch verschiedene Personen für Unter- und Oberkörper vornehmen;
- Verbot von Leibesvisitationen zur Feststellung der Geschlechtsmerkmale.
Weiteres
- Schulung des Personals zum Umgang mit inhaftierten trans Personen;
- Sichere Rahmen schaffen, in denen ein Coming-out möglich ist;
- Nach Bedarf Zugang zu transspezifischen Informationen sowie Zugang von und Kontakt zu trans Organisationen ermöglichen;
- Trans Menschen, die in ihrem Herkunftsland verfolgt wurden, identifizieren und bei Bedarf angemessene Unterstützung ermöglichen.
Weiterführende Informationen:
- Schweizerisches Kompetenzzentrum für den Justizvollzug: Die Betreuung von LGBTIQ+ Personen im Freiheitsentzug, Grundlagenpapier, 2021.
- Justizvollzugsgesetz des Kantons Basel-Stadt (§ 2 Abs. 1 lit. c)