
Die Berner Fachhochschule hat mit einer Befragung im Auftrag von Transgender Network Switzerland (TGNS) die aktuelle Lebenssituation von trans Personen in der Schweiz erfasst. Hauptfokus der Untersuchung lag auf dem Arbeitsleben und Wohlbefinden der Teilnehmenden. Das eidgenössische Büro für die Gleichstellung von Frau und Mann EBG hat das Projekt mit Finanzhilfen untersützt. Die Ergebnisse der Studie zeigen im Vergleich zu früheren Befragungen (Projekt Trans-Fair, 2015; TGNS, 2012) deutliche Fortschritte in der Gleichstellung von trans Personen in der Schweiz auf. Dennoch ist die Arbeitslosenquote in dieser Personengruppe gegenüber dem Bevölkerungsdurchschnitt noch immer stark erhöht, ihre Gesundheit und Lebenszufriedenheit verringert. Ein inklusives Arbeitsumfeld und insbesondere die Unterstützung durch Vorgesetzte sowie das eigene Team stellen essentielle Erfolgsfaktoren für trans Personen im Arbeitsleben dar. Ein Handlungsbedarf besteht sowohl im Abbau struktureller Hürden, als auch in der Sensibilisierung und Wissensvermittlung.
Ausgangslage
Für trans(gender) Personen stimmt das innere Wissen, welches Geschlecht sie haben («Geschlechtsidentität» oder selbstbestimmtes Geschlecht), nicht mit dem Geschlecht überein, das ihnen bei der Geburt zugewiesen wurde. Trans Personen können sich binär (d.h. als Frau oder Mann), non-binär, in mehreren Geschlechtern («pangender», «gender-fluid») oder auch in gar keinem Geschlecht («agender») identifizieren.
In der Schweiz leben zum aktuellen Zeitpunkt schätzungsweise[1] rund 200’000 trans Personen. Über ihre Lebensumstände ist bisher nur wenig bekannt. Insbesondere im Arbeitsleben sind sie jedoch oft von Diskriminierung betroffen (Eisner & Hässler, 2021).
Die Befragung
Ziel der vorliegenden Studie war es, die aktuelle Lebens- und Arbeitssituation von trans Personen in der Schweiz zu erfassen und Zusammenhänge struktureller und sozialer Einflussfaktoren mit deren Wohlbefinden aufzuzeigen. Darauf aufbauend sollen in einem Folgeprojekt Massnahmen zur Gleichstellung von trans Personen im Arbeitsleben erarbeitet werden. Die Online-Befragung fand im Januar bis März 2024 statt. Insgesamt haben 1’207 Personen den Fragebogen vollständig ausgefüllt, über die Hälfte davon (752) trans Personen. Ein grosser Teil der übrigen 455 teilnehmenden («cis») Personen zählte sich ebenfalls zur LGB(T)IAQ+ Community.
Lebenssituation und demographische Merkmale
Von den 752 teilnehmenden trans Personen identifiziert sich knapp die Hälfte (48 %) binär, darunter deutlich mehr Frauen als Männer, der grösste Anteil ist non-binär. Eigene Angaben lauten beispielsweise «genderqueer» oder «genderfluid». Unter den 455 cis Personen sind überwiegend Frauen. Das Alter der Teilnehmenden liegt zum Zeitpunkt der Befragung zwischen 16 und 89 Jahren, wobei die Hälfte unter 30 Jahre alt ist. Unter den jüngeren Leuten finden sich besonders viele non-binäre Personen. Der Grossteil wohnt in der Deutschschweiz und in einer grösseren Stadt oder in der Agglomeration, nur ein Fünftel auf dem Land.
Arbeitslosigkeit und Arbeitssuche
Die Arbeitslosenquote liegt unter den befragten trans Personen mit 7,4 % dreimal so hoch wie in der Gesamtbevölkerung (im Zeitraum der Befragung bei 2,4 % nach nationaler Definition gem. SECO, 2024). Unter den Erwerbstätigen sind trans Personen weit häufiger auf Stellensuche. Diese steht bei fast jeder dritten davon in Zusammenhang mit Mobbing oder Diskriminierung am aktuellen Arbeitsplatz.
Erwerbstätigkeit
71 % der trans Personen sind zum Zeitpunkt der Befragung erwerbstätig, mit einem mittleren Arbeitspensum von 76 %. Rund 61 % von ihnen erscheinen am Arbeitsplatz im selbstbestimmten Geschlecht, weitere 17 % teilweise und 23 % im bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht. Knapp 36 % hatten ihr erstmaliges Coming-out an ihrer aktuellen Arbeitsstelle. Sie bewerten sowohl das Ergebnis ihres Coming-outs, als auch die Unterstützung durch die direkten Vorgesetzten und Kolleg*innen überwiegend positiv. Gemäss den Kommentaren hält ein als wenig unterstütztend wahrgenommenes Arbeitsumfeld viele trans Personen vor einem Coming-out an ihrer Arbeitsstelle zurück.
Unterstützung und Authentizität
Insgesamt, d.h. auch für die teilnehmenden cis Personen, hängt die wahrgenommene Unterstützung der direkten Vorgesetzten positiv mit Authentizität am Arbeitsplatz zusammen. Daran zeigt sich, dass nicht nur trans Personen von einem offenen und inklusiven Arbeitsumfeld profitieren. Authentizität ist wiederum mit einem höheren subjektiven Wohlbefinden verbunden.
Gesundheit und Wohlbefinden
Generell schätzen die Befragten ihre mentale und körperliche Gesundheit eher gut ein und berichten eine relativ hohe allgemeine Lebenszufriedenheit. Für die trans Personen liegen die Werte allerdings signifikant tiefer, was auf nach wie vor bestehende Benachteiligungen dieser vulnerablen Gruppe hindeutet.
Ein auffallend hoher Anteil von 12 % der trans Personen (gegenüber nur 3 % der befragten cis Personen) unter 65 Jahren war zum Zeitpunkt der Befragung für mehr als einen Monat oder dauerhaft arbeitsunfähig. Als Ursachen wurden oftmals Mehrfachbelastungen und Diskriminierungserfahrungen, auch ausserhalb vom Arbeitsplatz und unabhängig von Transition und Coming-out, aufgeführt. Knapp 29 % der trans Personen geben an, dass sie medizinische Behandlungen aus finanziellen oder administrativen Gründen aufschieben oder ganz darauf verzichten mussten, unter den übrigen Befragten ist der Anteil nur halb so hoch.
Fazit und Handlungsbedarf
Die Ergebnisse weisen auf deutliche Fortschritte in der Gleichstellung von trans Personen im Arbeitsleben hin, zeigen aber auch anhaltende Benachteiligungen auf. Der Zugang zu einer adäquaten Gesundheitsversorgung ist für trans Personen zentral – insbesondere, wenn sie geschlechtsangleichende medizinische Massnahmen wünschen, aber auch allgemein.
Um ein unterstützendes Arbeitsumfeld für trans Personen zu schaffen, sollten strukturelle Hürden (z.B. bei der Namensänderung) abgebaut werden. Darüber hinaus braucht es nachhaltige Massnahmen zur Sensibilisierung und Wissensvermittlung, sowohl bei Fachpersonen im erweiterten Arbeitskontext, als auch in der breiten Bevölkerung.
[1] Basierend auf einem Anteil von 2 bis 2,5 % der Schweizer Wohnbevölkerung im Jahr 2024 (ca. 9 Millionen Menschen gemäss Bundesamt für Statistik, 2025). Der geschätzte Anteil von Trans-Personen an der Schweizer Bevölkerung liegt zwischen 2 % (Nationale Ethikkommission im Bereich der Humanmedizin NEK, 2020) und 6 % (IPSOS, 2023). Wissensvermittlung, sowohl bei Fachpersonen im erweiterten Arbeitskontext, als auch in der breiten Bevölkerung.
Referenzen
Eisner, L. & Hässler, T. (2021). Swiss LGBTIQ+ Panel – 2021 Summary Report. https://doi.org/10.31234/osf.io/dq4eg
Ipsos (2023). LGBT+ Pride 2023 – A 30-Country Ipsos Global Advisor Survey. https://www.ipsos.com/sites/default/files/ct/news/documents/2023-05/Ipsos%20LGBT%2B%20Pride%202023%20Global%20Survey%20Report%20-%20rev.pdf
Nationale Ethikkommission im Bereich der Humanmedizin NEK (2020). Stellungnahme Nr. 36/2020: Die amtliche Registrierung des Geschlechts – Ethische Erwägung zum Umgang mit dem Geschlechtseintrag im Personenstandsregister, Bern. https://www.nek-cne.admin.ch/inhalte/Themen/Stellungnahmen/NEK-stellungnahme-Amtliches_Geschlecht_DE.pdf
Projekt Trans-Fair (2015). Projekt Trans-Fair – Factsheet. Transgender Network Switzerland. https://www.tgns.ch/wp-content/uploads/2015/11/Factsheet_Transfair_DE.pdf
SECO (2024). Die Lage auf dem Arbeitsmarkt im März 2024. Staatssekretariat für Wirtschaft. https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-100623.html
Bundesamt für Statistik (2025, 3. April). Wohnbevölkerung der Schweiz steigt 2024 auf über neun Millionen, trotz Geburtenrückgang [Pressemitteilung]. https://www.bfs.admin.ch/bfs/de/home.assetdetail.34447372.html
TGNS (2012). Transpersonen und Arbeitsmarkt in der Schweiz – Erste schweizweite Studie zur Situation von Transmenschen im Erwerbsleben.
https://www.tgns.ch/wp-content/uploads/2012/06/2012-Transpersonen-und-Arbeitsmarkt-in-der-Schweiz_Abstract.pdf
[1] Basierend auf einem Anteil von 2 bis 2,5 % der Schweizer Wohnbevölkerung im Jahr 2024 (ca. 9 Millionen Menschen gemäss Bundesamt für Statistik, 2025). Der geschätzte Anteil von Trans-Personen an der Schweizer Bevölkerung liegt zwischen 2 % (Nationale Ethikkommission im Bereich der Humanmedizin NEK, 2020) und 6 % (IPSOS, 2023).