Hate Crimes und Diskriminierungen von LGBT-Menschen in der Schweiz

Bis heute sind Ausmass und genaue Umstände von homo-, bi- oder transphob motivierten Hassdelikten in der Schweiz unbekannt. Doch: Nur wo eine Erfassung stattfindet, wird aus einer Dunkelziffer eine Faktenlage. Seit Ende 2016 erfasst daher die LGBT+ Helpline online, per Mail oder telefonisch Diskriminierungen und Hassreden/Hassverbrechen an trans Menschen, Bisexuellen, Lesben und Schwulen. Nun wurde der erste Ergebnisbericht präsentiert.

Hassreden aufgrund von «Rasse, Ethnie oder Religion» sind laut Schweizerischen Strafgesetzbuch strafbar. Sexuelle Orientierung, Geschlechtsidentität und Geschlechtsausdruck fehlen bislang als Kategorien, wodurch eine Strafverfolgung nicht möglich ist. Eine parlamentarische Initiative (13.4071 ) von Nationalrat Mathias Reynard verlangt die Erweiterung des entsprechenden Artikels 261bis StGB um «sexuelle Orientierung»; im Verlauf der parlamentarischen Arbeit wurde zudem das Kriterium «Geschlechtsidentität» angefügt. Der Bundesrat hat die polizeiliche Erfassung von homo-, bi oder transphob motivierten Hassdelikten abgelehnt, daher forderte Nationalrätin Rosmarie Quadranti im Jahr 2017 mittels Motion (17.36672 ) die statistische Erfassung von «hate crimes» aufgrund von sexueller Orientierung, Geschlechtsidentität, Geschlechtsausdruck oder Geschlechtsmerkmalen. Sie bezieht damit explizit auch Menschen mit Varianten der Geschlechtsentwicklung (intergeschlechtliche Menschen) mit ein.

Erste Ergebnisse

Die erfassten Daten können Tendenzen aufzeigen. So kamen die meisten Meldungen von Männern. Es fällt auf, dass ein Fünftel aller Meldungen (19 von 95) trans Menschen betreffen, dass diese also grundsätzlich stärker gefährdet sein dürften als homo- und bisexuelle cis Menschen. Dies entspricht auch den Resultaten der Studie der Europäischen Grundrechtsagentur «EU LGBT survey – European Union lesbian, gay, bisexual and transgender survey» von 2014.

Die Daten weisen auch darauf hin, dass homo- und bisexuelle Menschen eher an einem anonymen Ort Opfer werden könnten, trans Menschen eher an Orten, an denen man sich kennt.

An der Medienkonferenz, an der der Bericht vorgestellt wurde, hob Alecs Recher als Vertreter von TGNS hervor, dass wohl besonders zwei Faktoren noch zu einer zusätzlichen Gefährdung von trans Menschen führen. Erstens lassen die Daten darauf schliessen, dass erkennbare trans Menschen – sei dies gewollt oder ungewollt – eher Opfer von Hassdelikten und Diskriminierung werden. Und dass zweitens die Erfahrung aus der Beratungsarbeit zeigt, dass Transmenschen, die zum Beispiel Sexarbeit machen, of Colour sind, in Armut leben, HIV-positiv sind oder schwache sprachliche Fähigkeiten haben, besonders oft betroffen sind.

«Ich bin Mutter eines trans Mannes. Als ich im Garten arbeitete,
gingen 2 Sekschüler (m) am Garten vorbei, der eine rief unablässig ‹Transe, Transe!›, dabei schaute er mich unablässig an und lachte.»

Empfehlungen

Die ehrenamtlich geführte LGBT+ Helpline kann die gesamte Problematik nur aufzeigen. Es ist hingegen Aufgabe des Staates, die Menschenrechte auch von LGBTI-Menschen zu respektieren, zu schützen und zu gewährleisten. Bund und die Kantone sind aufgefordert, sich der Thematik Hassverbrechen an LGBTI-Menschen anzunehmen und die notwendigen Massnahmen – in Zusammenarbeiten mit den verschiedenen Organisationen – einzuleiten. Gefordert werden insbesondere Massnahmen in folgenden Bereichen:

  • Konsequente Erfassung der homo-, bi- oder transphob motivierten Straftaten durch die Polizei und Analyse dieser Daten
  • Präventionsmassnahmen zur Verhinderung von homo-, bi- oder transphob motivierten Straftaten und Diskriminierungen
  • Schulung und Sensibilisierung aller Strafverfolgungsbehörden zu sexueller Orientierung, Geschlechtsidentität, -ausdruck und -merkmalen
  • Ergänzung von Art. 261bis StGB, Rassendiskriminierung, um mindestens die Merkmale «sexuelle Orientierung» und «Geschlechtsidentität»
  • Sicherstellung der Unterstützung aller Opfer von homo-, bi- oder transphoben Hassverbrechen
  • Sicherstellung des effektiven Zugangs aller Opfer von homo-, bi- oder transphoben Hassverbrechen zu Rechtsmitteln und angemessener Entschädigung

Der Bericht zum Download:
Hate Crimes an Lesben, Schwulen und Transmenschen in der Schweiz

Videostatement von Alecs Recher: https://www.facebook.com/tgns.switzerland/posts/779300732264961

Bildlegende (von links):
Anna Rosenwasser (LOS), Max Krieg (Pink Cross), Roman Heggli (Pink Cross), Rosmarie Quadranti (Nationalrätin BDP), Alecs Recher (TGNS), Petrik Thomann (Pink Cop), Angelo Barrile (Nationalrat SP, Pink Cross), René Schegg (Pink Cross)