EGMR klärt Diskriminierungsschutz von Transmenschen

Strassburg, 12.05.2015 – In einem Urteil vom 12. Mai 2015 klärt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Strassburg, dass Grundrechte allen Transmenschen ohne Diskriminierung zu gewährleisten sind. Diese Klärung ist ein wichtiger Schritt.

EGMR flickrDie Europäische Menschenrechtskonvention besagt in Artikel 14, dass die Menschenrechte «ohne Diskriminierung insbesondere wegen des Geschlechts (…) zu gewährleisten» sind. Bereits Ende 2010 urteilte der Gerichtshof in Strassburg, dass «Geschlecht» auch «Transsexuelle» meint. Dies war ein wichtiger Schritt. Seither war aber nicht ganz klar, ob der Gerichtshof mit den Begrifflichkeiten noch nicht so vertraut war und eigentlich alle Transmenschen meint oder nur Transsexuelle im Sinne von Transmenschen mit einer medizinischen Geschlechtsangleichung. Mit dem soeben gefällten Urteil Identoba & Others v. Georgia (Application no. 73235/12) ist diese Unklarheit nun ausgeräumt: «Das Gericht wiederholt, dass das Diskriminierungsverbot in Art. 14 EMRK auch Fragen der sexuellen Orientierung und der Geschlechtsidentität abdeckt.» Für Transmenschen ist dies ein wichtiger Schritt: Erstens weil nun klar ist, dass die Geschlechtsidentität und nicht körperliche Angleichungen das relevante Merkmal ist, also alle Transmenschen gemeint sind, und zweitens weil das Gericht damit klärt, dass es den früher verwendeten Begriff «Transsexuelle» als Geschlechtsidentität verstanden haben will.

In der Hauptsache hatte das Gericht den polizeilichen Schutz einer friedlichen Kundgebung zum International Day against Homo- and Transphobia (IDAHOT) gegen gewalttätige homo- und transphobe GegendemonstrantInnen zu beurteilen. Der georgische Staat leistete keinen genügenden Schutz und wurde daher verurteilt wegen diskriminierender unmenschlicher Behandlung. Für die Schweiz interessant ist die Aussage des Gerichts, dass Staaten bei Gewaltvorfällen alles angemessene unternehmen müssen, um ein mögliches diskriminierendes Motiv – explizit auch ein transphobes – aufzudecken. Denn, so das Gericht, trans- und homophobe Gewalt und Brutalität gleich zu behandeln wie Fälle ohne dieses Motiv würde bedeuten, dass die Augen verschlossen werden gegenüber einer speziell grundrechtsfeindlichen Besonderheit dieser Taten. (Rz. 67) Für die Schweizer Polizei und Justiz sollte dies ein deutlicher Wink sein, dass Trans- und Homophobie, aber auch andere diskriminierende Motive wie Rassismus oder Religionsfeindlichkeit, immer einzubedenken und aufzudecken sind.

Das Urteil ist rechtskräftig.

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