Unter der Leitung von Thomas Hammarberg, Europarats-Kommissar für Menschenrechte, wurde die erste umfassende Studie zu Diskriminierung aufgrund von sexueller Orientierung und Genderidentität in allen 47 Mitgliedstaaten des Europarates erstellt. Am 23. Juni 2011 wurde sie unter grosser Beteiligung von Vertretern der Staaten, internationaler Organisationen und LGBT Organisationen in Strassburg vorgestellt und die Umsetzung auf nationaler Ebene diskutiert. Verschiedene Rednerinnen und Redner hoben die Wichtigkeit des Erarbeitens und Bereitstellens von Daten, wie es mit der Studie nun erreicht wurde, hervor. Für TGNS war der Co-Präsident Alecs Recher dabei.
Die Studie basiert auf Länderberichten je zu der rechtlichen und zu der sozialen Situation von Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transmenschen (LGBT) und fokussiert auf die folgenden Themenbereiche:
– Einstellung zu und Wahrnehmung von LGBT Menschen
– Gesetzeslage und Rechtspraxis
– Gewalt gegen LGBT Menschen
– Asyl
– gesellschaftliche Teilhabe durch Versammlungs- und Meinungsfreiheit
– Recht auf Privatleben, mit Fokus auf Änderung des Registergeschlechts und Familienleben
– Zugang zu Gesundheitsversorgung, Bildung und Arbeitsmarkt
Wie bereits in dem Themenpapier „Menschenrechte und Geschlechtsidentität„, welches der Kommissar vor zwei Jahren publizierte, hebt auch diese Studie und vor allem seine Empfehlungen dazu die Situation der Transmenschen stark hervor. Thomas Hammarberg spricht in seinen Empfehlungen an die Mitgliedstaaten eine äusserst begrüssenwert klare Sprache für die uneingeschränkte Einhaltung der Menschenrechte auch für Transmenschen.
TGNS sieht den dringendsten Handlungsbedarf hierzulande in der Umsetzung der folgenden Empfehlungen Hammarbergs:
– Zwang zu operativer Sterilisation und zu weiteren medizinischen Behandlungen als Voraussetzungen für die Änderung von Namen und Registergeschlecht verletzen das Selbstbestimmungsrecht und die Gesundheit des Individuums und sind klar menschenrechtlich nicht zulässig. Ausser Zürich setzen sich alle Kantone darüber hinweg. Gleichfalls widerrechtlich ist die Voraussetzung der Ehelosigkeit und damit der aufgezwungenen Scheidung – gleichfalls noch Erfordernis vor ein paar wenigen Gerichten der Schweiz.
– Die Diagnose psychisch krank als Vorbedingung zum Zugang zu medizinischer Geschlechtsangleichung ist nicht vereinbar mit dem Recht auf Selbstbestimmung und dem Recht auf Zugang zu dem bestmöglichen Gesundheitsstandard. In der Schweiz ist die Diagnose Standard.
– Zugang zu medizinischer Geschlechtsangleichung (Hormone, Operationen und psychologische Begleitung) sind allen Transmenschen zugänglich zu machen, müssen auf freiwilliger Einwilligung beruhen und die Kosten sind von den Krankenkassen zu übernehmen.
– Umfassende Anti-Diskriminierungsgesetze, die sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität als verbotenen Diskriminierungsgrund explizit nennen, fehlen hierzulande genauso wie der strafrechtliche Schutz gegen allgemein gehaltene homo- und transphobe Äusserungen.
– Respektieren des Rechts auf Zugang zum Arbeitsmarkt, indem aus den Unterlagen von Transmenschen keine sensiblen persönlichen Daten wie der alte Vorname oder der Fakt des Transseins, hervorgehen dürfen.